Im Video zum Song Pigs sehen wir Francesco Lo Guidice alias Olmo in einem Schutzanzug und unter einer britischen Gerichtssaalperücke steckend mit ernster Miene zwischen Schweinderln im Freilaufschlamm herumwaten. Die fühlen sich in dieser Sauerei offensichtlich pudelwohl. Ein starkes Bild. Es will uns etwas sagen.

Olmo sagt das auf seinem beim deutschen Label Motor erscheinendem Debütalbum The Trunk mit großem Nachdruck, wird sich aber auch gleich bei den Schweinen dafür entschuldigen, dass er böse Menschen sinnbildlich als solche bezeichnet. Immerhin gelten die Tiere ja als intelligent.

Zu einer mild-fröhlichen und ein wenig verstörend an den alten, sentimentalen britischen Hitparadenschlager I Won’t Let You Down von Ph. D aus dem Jahr 1982 erinnernden Laptop-Musik singt der junge Mann, der von Rom aus mittlerweile in Berlin gelandet ist, über den Zustand der Welt. Da ist während der letzten zwei Jahre einiges zusammengekommen. Man hat auch jede Menge Zeit gehabt, wütend zu sein.

Klagenhagel

Während Olmo die Ferkelchen streichelt, fallen mit sanfter Gesangsstimme Worte der Anklage (aha, deshalb der Staatsanwalt-Pepi auf dem Dichterhaupt!). Von Persönlichkeitsstörungen ist die Rede, von toxischer Männlichkeit, von Fake News und dem ganzen sattsam bekannten Rest, bei dem einem schon bei der Frühstückslektüre der neuesten Nachrichten das Geimpfte aufgeht. Egomanische neofaschistische Schweine werden besungen, der Eber verrichtet dazu fröhlich sein Geschäft.

Olmo hält über menschliche Schweine Gericht. Die echten Tiere mag er aber sehr.
Olmo

Dabei ist der Mann, wie der wunderschön hoppertatschige elektronische Eröffnungswalzer Tornerai zeigt, tief im Herzen ein waschechter Melancholiker, der nicht nur mit flehender Kopfstimme umzugehen weiß. Ihm ist auch klar, dass ein billiges Streichersample und der Sound einer Heimwerkerorgel für 50 Euro einen Walzer am allerbesten zur Geltung bringen. Auch andere Titel wie Prince Harming oder My Friend Amer oder der abschließende, atmosphärisch hochgradig aufgeladene Kehraus Michelangelo schleppen sich, im Trauerton den Tränen nahe, also zum Weinen schön, Richtung Herzerweiterung.

Ein Album des Jahres

Olmo liefert mit The Trunk ein musikalisches Rührstück ab, das man so in aller Intensität lange nicht mehr gehört hat. Schon jetzt ein Album, das in diversen Bestenlisten 2022 mit am Start sein dürfte, auf jeden Fall aber mit dabei sein muss. (schach, 25.6.2022)