Eine Pipeline, die Spanien mit einem großen Anteil an Erdgas versorgt, hat extreme Mengen an Methan verloren, wie ein Esa-Satellit messen konnte.
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Enorme Ausmaße an Emissionen wurden erst kürzlich publik: An einem russischen Kohlebergwerk traten im Jänner etwa 90 Tonnen Methangas pro Stunde aus, wobei es sich um die größte bis dahin gemessene Methanquelle von einem einzigen Industriestandort gehandelt haben dürfte. Nun wurde womöglich bereits ein neuer Rekord gemessen, wie das Nachrichtenunternehmen Bloomberg berichtet. Im Nordwesten Algeriens wurde eine riesige Methanwolke von einem Satelliten der Europäischen Weltraumorganisation Esa registriert. Eine Gasfahne hatte eine geschätzte Emissionsrate von 118 Tonnen Methan pro Stunde.

Das ist besonders heikel, weil das Treibhausgas Methan kurzfristig etwa 80-mal schädlicher ist als Kohlenstoffdioxid (CO2). Pro Jahr werden schätzungsweise 600 Millionen Tonnen Methan frei, etwa 60 Prozent davon durch menschliche Aktivitäten. Werden fossile Brennstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas gefördert und transportiert, dann wird oft absichtlich Methan abgelassen, weil eine Abspeicherung allen Gases teurer und schwieriger wäre.

In einer Stunde Jahresemissionen von 2.000 Autos

Die nun aufgespürten Leaks wurden am 26. und 27. Mai registriert. Die Wolke befand sich in der Nähe einer Leitung, die von der Medgaz-Gaspipeline abzweigt. Sie liefert rund ein Viertel des in Spanien verbrauchten Erdgases. Insgesamt gab es drei Gasfahnen. Die stärkste von ihnen, die geschätzt 118 Tonnen Methan pro Stunde entweichen ließ, befand sich etwa dreizehn Kilometer von einer Verteilungsleitung entfernt, die mit der Medgaz-Gaspipeline verbunden zu sein scheint. Das ergab eine Analyse des Geoanalytik-Unternehmens Kayrros SAS und des Global Energy Monitor.

Die Gasfahne war etwa 50 Kilometer von der Hauptleitung entfernt. Bei der von Kayrros geschätzten Emissionsrate hätte die gravierendste Freisetzung bei einer Dauer von nur einer Stunde kurzfristig die gleichen Auswirkungen auf das Klima wie die jährlichen Emissionen von mehr als 2.000 Autos.

Gaslieferant Algerien

Algerien gilt als globaler Methan-Hotspot. In der Vergangenheit wurden Emissionen in der Nähe des Gasfeldes Hassi R'Mel im Osten des Landes beobachtet. Forschende haben vor kurzem festgestellt, dass aus Anlagen, die mit dem Feld verbunden sind, seit fast 40 Jahren Methan austritt.

Die staatliche algerische Öl- und Gasgesellschaft Sonatrach, die den gesamten Abschnitt der vom Hassi R'Mel-Feld zur algerischen Küste führenden Medgaz-Gaspipeline besitzt und betreibt, lehnte gegenüber Bloomberg eine Stellungnahme ab. Ein Sprecher des algerischen Energieministeriums ließ eine Anfrage der Nachrichtenagentur unbeantwortet. Auch die Naturgy Energy Group S.A., die jenen Teil der Medgaz-Gaspipeline betreibt, der unter dem Alboran-Meer bis nach Spanien verläuft, lehnte eine Stellungnahme ab.

Naturgy und Sonatrach erklärten im Juli 2021, dass sie die Kapazität der Pipeline ab dem vierten Quartal 2021 um 25 Prozent auf insgesamt zehn Milliarden Kubikmeter pro Jahr erweitern würden. Der Vorstandsvorsitzende von Naturgy, Francisco Reynes, sagte in der Erklärung, dass die Infrastruktur "die Sicherheit der Erdgasversorgung Spaniens stärkt und der Schlüssel zu Garantien und Stabilität für den ökologischen Übergang und den Dekarbonisierungsprozess ist".

Enorme Anstiege

Algerien liefert etwa acht Prozent der europäischen Gasimporte und ist nach Russland und Norwegen der drittgrößte Gaslieferant des Kontinents. Falls das Land die Methanfreisetzungen, die von Satelliten beobachtet werden, nicht eindämmen kann, könnte dies seine Position im Zuge der Energiewende in Europa gefährden. Die Europäische Union bemüht sich seit längerem um eine strengere Kontrolle der Leckagen innerhalb der EU und bei wichtigen Lieferländern.

Gas gilt auf dem Papier als vergleichsweise "sauberer" fossiler Energieträger, da bei der Verbrennung weniger CO2 in die Atmosphäre gepumpt wird als bei Kohle und Öl. Nicht berücksichtigt in der Klimabilanz wird jedoch Methan, das bei Förderung, Transport und Speicherung entweicht. 2021 kam es weltweit zum höchsten gemessenen Methan-Anstieg, seitdem dieser aufgezeichnet wird. Womöglich wird 2022 dieses Extrem durch die nun bekannt gewordenen Leaks überbieten. (red, APA, 24.6.2022)