In zahlreichen Städten gingen Frauen und Männer auf die Straße.

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Als "Schlag ins Gesicht für Frauen" bezeichnete Nancy Pelosi, Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, die Entscheidung des Supreme Court, der am Vortag das landesweite Recht auf Abtreibung kippte. Nun könnten die einzelnen Bundesstaaten über die Körper der Frauen bestimmen. Nach der Entscheidung demonstrierten mindestens tausend Menschen in New York für das Recht auf Abtreibung. Protestierende im Washington Square Park in Manhattan hielten am Freitagabend (Ortszeit) Schilder mit Aufschriften wie "Mein Vergewaltiger hat mehr Rechte als ich" in die Höhe und skandierten Slogans wie etwa "Abtreibung ist ein Menschenrecht".

Menschen demonstrierten im Square Park in New York.
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Mehrere Frauenrechtsorganisationen hatten in der liberalen US-Ostküstenmetropole zu Protesten aufgerufen. Die Menge schwoll am Freitagabend rasch weiter an. Auch in anderen Teilen des Landes wird für Samstag mit Demonstrationen gerechnet.

Gesetze treten sofort in Kraft

Die Entscheidung sieht vor, es den Bundesstaaten zu überlassen, wie sie ihr Abtreibungsrecht regeln. Dies gilt als besonders drastisch. Einige Staaten haben bereits Gesetze vorbereitet, die sofort in Kraft treten können, wenn die bisherige Rechtsprechung kippt – sogenannte Trigger Laws. Es sind vor allem die erzkonservativen Staaten im Süden und mittleren Westen, die Abtreibung ganz oder fast komplett verbieten wollen. Den Anfang machten Missouri und South Dakota.

Auch in New York wurde protestiert. Für Samstag sind weitere Proteste geplant.
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Eine Reihe liberaler US-Bundesstaaten kündigte an, das Recht auf Abtreibungen weiter schützen zu wollen. Die Gouverneurinnen und Gouverneure unter anderem aus Kalifornien, Oregon, Washington, Massachusetts, New Jersey und New York bekannten sich am Freitag zu ihrer liberalen Haltung bezüglich Schwangerschaftsabbrüchen. Für Schwangere bedeutet die Entscheidung, Hunderte oder gar Tausende Kilometer reisen zu müssen, um eine Abtreibungsklinik zu erreichen. Viele können sich das nicht leisten. Befürchtet wird, dass wieder vermehrt Frauen versuchen, selbst eine Abtreibung vorzunehmen.

"Es ist meiner Ansicht nach die Verwirklichung einer extremen Ideologie und ein tragischer Fehler des Obersten Gerichtshofs", sagte Präsident Joe Biden am Freitag in Washington. "Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um diesen zutiefst unamerikanischen Angriff zu bekämpfen." Der US-Kongress müsse jetzt handeln, um in der Sache das letzte Wort zu haben. "Es ist nicht vorbei", so Biden.

Stars reagieren erschüttert

Auch zahlreiche Prominente haben erschüttert auf die historische Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gegen das liberale Abtreibungsrecht in den USA reagiert. "Ich bin absolut geschockt, dass wir an dieser Stelle stehen", schrieb Sängerin Taylor Swift auf Twitter. "Nach so vielen Jahrzehnten, in denen Menschen für das Recht von Frauen, über ihren Körper zu bestimmen, gekämpft haben, hat uns diese Entscheidung das wieder weggenommen."

Hailey Bieber, Model und Ehefrau von Popstar Justin Bieber, kommentierte via Instagram: "Wow ... ich bin sprachlos. Was für ein furchtbarer Verlust und was für eine Enttäuschung. Das macht sehr, sehr viel Angst." Schauspielerin Viola Davis schrieb via Twitter, sie sei "am Boden zerstört". "Jetzt müssen wir mehr denn je unsere Stimme und unsere Macht benutzen."

"Es ist wahrhaft unvorstellbar und entmutigend, versuchen zu müssen, meiner elfjährigen Tochter zu erklären, warum wir in einer Welt leben, in der Frauenrechte vor unseren Augen zerfallen", schrieb Sängerin Mariah Carey. (APA, red, 25.6.2022)