Mit dem Laubsauger werden Müllhaufen weggeputzt, mit der Kehrmaschine die Konfetti vor der Hauptbühne.

Foto: Reiner Riedler

Nach Peter Cornelius und "Du entschuldige i kenn di" ist es am Samstag auf der großen Hauptbühne vorbei gewesen. Zumindest offiziell. Denn auch wenn am Wiener Donauinselfest um Mitternacht die Musik ausgeht, die Gastrostände zusperren und eine Stunde später auch die Beleuchtung auf dem Festivalgelände abgeschaltet wird, steht noch ein großer Auftritt an. Von der breiten Öffentlichkeit unbemerkt gibt zu guter Letzt eine in ganz Wien bekannt Truppe ihr Können zum Besten: die MA 48, also die Müllabfuhr.

Als sich gegen halb fünf Uhr morgens der Samstag noch nicht ganz verabschiedet und der Sonntag noch nicht richtig begonnen hat, startet unweit der Floridsdorfer Brücke die Show. Es ist noch fast dunkel, die Lichter der Hochhäuser auf der Donauplatte blinken herüber, am Horizont steigt langsam die Morgenröte empor. Wo noch vor wenigen Stunden die Massen getanzt, gesungen und gegrölt haben, ist es angenehm ruhig.

Morgens ist es auf der Insel angenehm ruhig: Mancherorts wird noch geschlafen, wenn der Putztrupp anrückt.
Foto: Reiner Riedler

Bis der Konvoi der Müllabfuhr bei der Hauptbühne vorfährt: ein Waschwagen, zwei Kehrmaschinen, zwei Laubbläser und mehrere Pritschenwagen. Männer und Frauen in der charakteristischen orangefarbenen MA-48-Kluft verteilen sich am Gelände und beginnen, ihre Choreografie aufzuführen.

Diese sitzt – auch Dank der Backstage-Mitarbeiter, die ganze Arbeit geleistet haben. Auf der riesigen Schotterrasenfläche, die ein Stück von der Bühne entfernt beginnt, hat Personal der Wiener Gewässerabteilung plattgetrampelte Bierdosen, Zigarettenstummel und Servietten bereits zu kleinen Haufen aufgeschichtet.

Mit zweckentfremdeten Heuwendern lassen sich Bierdosen, Servietten und Dergleichen zu Haufen zusammentragen.
Foto: Reiner Riedler

Teils händisch mit Rechen, teils mit zwei zweckentfremdeten Spezialtraktoren mit Metallgabeln, sogenannten Heuwendern. Angenehm für jene, die die Laubsauger bedienen: Sie müssen nur noch von Haufen zu Haufen fahren und den Saugschlauch hinhalten.

Falsches Gebiss und andere Hinterlassenschaften

"Je nach Act und Gimmicks ist die Arbeit etwas leichter oder intensiver", sagt Alexander Sandner. Er ist Kehrbezirksleiter für Floridsdorf – und damit seit 2011 auch für das Donauinselfest zuständig.

Am Samstag wurde das Publikum bei der Hauptbühne offenbar mit Konfetti beglückt: Der asphaltierte Bereich direkt vor der Bühne ist voll damit. Dort drehen der Waschwagen und eine Kehrmaschine tösend ihre Runden. Ersterer befördert die bunten Papierschnipsel, Schnapsflascherln und Einweg-Teller per Wasserstrahl in die Mitte. Letztere kann den Müll dann über einen Saugmund an der Fahrzeugunterseite aufsaugen.

Das Arbeitspensum hängt davon ab, womit die Bühnenshows aufgefettet wurden.
Foto: Reiner Riedler

"Ohne das Wasser würde das alles herumfliegen, wenn die Kehrmaschine kommt", erklärt Sandner. Praktischer Nebeneffekt: Auch die körpereigenen Hinterlassenschaften der Gäste werden so entfernt. Sandner: "Der eine oder andere verträgt es halt nicht so gut."

Für ihn und sein Team sind derartige Funde nichts Außergewöhnliches. In all den Jahren Donauinselfest wurden bei den Putzaktionen schon allerhand kuriose Dinge entdeckt: ein falsches Gebiss und eine Gitarre zum Beispiel. Oft dabei sind Schuhe und Hosen. "Ich weiß nicht, wie die Leut ohne z'Haus gehen", sagt Sandner.

Campingplatz unter der Reichsbrücke

Nach einer knappen dreiviertel Stunde ist die Fläche vor der Hauptbühne sauber, der Reinigungstrupp arbeitet sich weiter in Richtung Nordbahnbrücke. Dort trifft er auf ein weiteres Überbleibsl der Nacht: ein Dutzend junge Männer und Frauen, die auf der Insel durchgemacht haben. "Bei uns ist es ein bissi eskaliert", sagt ein Bursch mit Strohhut. Sein Begleiter nickt zustimmend. "Wir wissen eigentlich nicht, wer die anderen sind."

Auch noch in den frühen Morgenstunden auf der Insel zugegen: "Bei uns ist es ein bissi eskaliert", sagt ein junger Mann.
Foto: Reiner Riedler

Die 48er würden bei ihren Streifzügen immer wieder auf Übernachtungsgäste stoßen, erzählt Kehrbezirksleiter Sandner. "Die schlafen in Wäldchen oder auf Bankerln." In der Nacht auf Sonntag habe sogar eine Gruppe in Zelten unter der Reichsbrücke genächtigt, berichtet einer seiner Kollegen. Erlaubt ist das nicht: "Das Campen ist nur auf offiziellen Campingplätzen gestattet. Am Donauinselfest selbst ist campen nicht möglich", heißt es dazu auf der Fest-Website.

850.000 Liter Müll und viel händische Arbeit

Der Kollege gehört zum zweiten Teil Putzteams: Von der Reichsbrücke kommend arbeitet sich ebenfalls ein Trupp vor. In der Mitte, bei der Brigittenauer Brücke, treffen die beiden Gruppen aufeinander. Gereinigt werden sowohl das Festgelände als auch die Treppelwege am Rand. Dafür stehen insgesamt 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie 30 Fahrzeuge zur Verfügung. Am mühevollsten ist die Säuberung der Böschungen: "Das muss man händisch machen, leider geht das nicht anders", sagt Sandner.

100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat die MA 48 für das Donauinselfest abgestellt, ihre Schicht beginnt um 4 Uhr.
Foto: Reiner Riedler

Um die 850.000 Liter Müll werden bis zum Festende am Sonntagabend zusammengekommen sein – so viel waren es zumindest beim letzten regulären Fest im Jahr 2019. 1.100 Mistkübel wurden auf dem gesamten Festgelände verteilt, der Gastro wurden 850 Müllsäcke zur Verfügung gestellt. Diese leert bzw. sammelt frühmorgens ebenfalls die MA 48 ein.

Auch wenn das alles aufwendig klingt, ist die Kraftanstrengung laut Sandner in den vergangenen Jahren geringer geworden: Man bringe die Gäste immer mehr dazu, Müll tatsächlich in die dafür vorgesehenen Behälter zu werfen, dazu kämen neue technische Möglichkeiten. Eine große Erleichterung sei auch die Umstellung von Einweg- auf Mehrwegbecher im Jahr 2006 gewesen.

Hip-Hopper Jan Delay als Abschluss

Inzwischen ist die Sonne herausgekommen – und mir ihr ein paar Sportlerinnen und Sportler. Laufend und radfahrend erobern sie sich die Donauinsel zumindest für ein Weilchen von den Feiernden zurück. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Müllabfuhr bliebt noch Zeit für ein schnelles Frühstück: Wurstsemmeln und Getränke.

Kehrbezirksleiter Alexander Sandner betreut das Donauinselfest seit elf Jahren.
Foto: Reiner Riedler

Der erste Programmpunkt des Sonntags findet um 8 Uhr auf der Rockbühne statt, ab 9 Uhr sind die ersten Soundchecks angesetzt. Bis dahin müssen die Männer und Frauen in Orange fertig sein.

Sonntags-Headliner auf der Hauptbühne – und damit krönender Abschluss des Donauinselfests – ist der deutsche Hip-Hopper Jan Delay. Danach rückt die Müllabfuhr noch einmal aus. Nächste Woche, wenn alle Bühnen, Zelte und Stände weggeschafft sind, kommt sie noch einmal, um Kabelbinder, Holzreste und andere Reste vom Abbau mitzunehmen. Denn: Zu einer gelungenen Show gehört eben auch eine gute Zugabe. (Stefanie Rachbauer, 26.6.2022)