Am Sonntag fanden in Garmisch ebenfalls Proteste gegen den G7 Gipfel statt.

Foto: AP/Alexandra Beier

Mittenwald – "Wir sind gespannt, ob die Polizei mit unseren E-Bikes mithalten kann", sagt ein Sprecher des Arbeitskreises "Angreifbare Traditionspflege" im Gespräch mit dem STANDARD Tretlager. Die neuartige Protestform wird am Montag bei den Protesten gegen den G7-Gipfel zum Einsatz kommen. Denn das Treffen der Staats- und Regierungschefs in Elmau, unweit der Grenze zu Österreich, soll mit einer Demonstration in Sicht- und Hörweite des Schlosses, wo sich die G7 treffen, begleitet werden. Dazu wird aus vier Richtungen ein Sternmarsch nach Elmau aufbrechen. Und zwei dieser Märsche sind eigentlich Radtouren. Eine dieser Radlrunden beginnt am Bahnhof in Garmisch-Partenkirchen und führt weiter nach Klais, von wo es zu Fuß über Bergwege nach Elmau gehen soll.

Und eine weitere ist eben jene E-Mountainbike-Tour des AK "Angreifbare Traditionspflege", die um 10 Uhr am Bahnhof in Mittenwald beginnt. Neben dem Protest gegen den G7-Gipfel wollen die Organisatorinnen und Organisatoren mit ihrer E-Mountainbike-Tour die Teilnehmenden über die dunkle Geschichte der in Mittenwald stationierten Gebirgsjäger im Zweiten Weltkrieg informieren, die als Teil der NS-Wehrmacht unter anderem an Massakern an der Zivilbevölkerung in Italien und Griechenland beteiligt waren. "Wir wollen damit deutlich machen, in welchem Umfeld der G7-Gipfel hier stattfindet", erklärt dazu der AK-Sprecher.

Geschichtsunterricht zum Missfallen der CSU

Die Aktivistinnen und Aktivisten machen seit über 20 Jahren auf die Kriegsverbrechen der Gebirgsjäger aufmerksam. Sehr zum Missfallen der in Bayern regierenden CSU. So rührt auch der Name des AK "Angreifbare Traditionspflege" von einem Edmund Stoiber-Zitat. Denn der ehemalige bayrische CSU-Ministerpräsident verteidigte die Kameradschafts-Treffen der Gebirgsjäger, an denen neben politischer und soldatischer Prominenz auch immer wieder Kriegsverbrecher teilgenommen hatten, einst mit den Worten, es handle sich dabei um "unangreifbare Traditionspflege".

Geplant war ursprünglich eine Tour durch die Mittenwalder Innenstadt, zur örtlichen Kriegergedächtniskapelle, zum Stammtisch der örtlichen Gebirgsjäger-Kameradschaft, vor die Luttensee-Kaserne und zum umkämpften Ehrenmal der Gebirgsjäger auf dem Hohen Brendten. Im Anschluss sollte es über Waldwege weiter zu den anderen Sternmärschen in Elmau gehen. Doch die Behörden haben diese Route nicht gänzlich bewilligt und teils Schiebestrecken verordnet. Daran werde man sich halten, so die Demo-Organisation, die trotzdem nach Möglichkeit an der geplanten Route festhalten wollen.

Inhaltliche Themen abseits der G7

Inhaltlich wird aus aktuellem Anlass auf die Operationen der 1. Gebirgsdivision und der von Theodor Oberländer befehligten ukrainischen Bataillone "Nachtigall" und "Roland" im Zusammenhang mit den Mordaktionen in Lemberg ab dem 30. Juni 1941 eingegangen. Der zweite Schwerpunkt ist Oberländers "Sonderverband Bergmann", der 1942 in der Luttensee-Kaserne in Mittenwald aufgestellt wurde. Auch diese Geheimdiensteinheit der Wehrmacht, die mehrheitlich aus kaukasischen Freiwilligen, aber auch aus Gefangenen der Roten Armee bestand, sollte zunächst verdeckt hinter der Front insbesondere im Kaukasus kämpfen.

Denn vor genau 80 Jahren versuchte eine kleine Gruppe um die georgischen Offiziere Ziklauri, Tabidze und Tedeev im Lager Luttensee eine Meuterei gegen die deutsche Bataillonsführung anzuzetteln, um den kurz bevorstehenden Kampfeinsatz gegen die Rote Armee zu sabotieren. Geplant war ein organisiertes Überlaufen direkt nach der Fallschirmlandung. Doch ihr Aufstand wurde verraten und die "Meuterer" wurden vor das Reichskriegsgericht gestellt, das zwölf georgische Soldaten "wegen Kriegsverrat in Tateinheit mit der Zersetzung der Wehrkraft und Meuterei" zum Tode verurteilte. Die Zwölf wurden vermutlich von einem Exekutionskommando in der Nähe der Luttensee-Kaserne erschossen. Die Recherchen nach dem genauen Exekutionsort und dem Verbleib der Leichen sind noch nicht abgeschlossen. An diese Menschen möchte die E-Mountainbike-Tour erinnern und dazu am Eingang der Luttensee-Kaserne ein Gedenkzeichen anbringen.

E-Bikes als Zukunft für Demos

Wer noch Interesse hat, sich der Protestfahrt anzuschließen, ist eingeladen am Montag um 10 Uhr am Bahnhof in Mittenwald zu sein. Empfohlen wird die Teilnahme am E-Bike. Oder man ist "extrem fit" und versucht am Bio-Bike mitzuhalten, wie der Sprecher sagt. Insgesamt verspricht man sich von der Protestform auf E-Bikes viel für die Zukunft, wie man seitens des AK erklärt: "Das entwickelt sich zum neuen Trend und ergänzt klassische Protestformen, weil man auf E-Bikes viel mobiler ist und so viele Menschen schneller auch an entlegenere Orte gelangen können." (Steffen Arora, 26.6.2022)