Erhöht sich der Frauenanteil in den Vorstandsebenen, hat das auch Folgen für die Gehaltsverteilung in den jeweiligen Unternehmen.

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Der Aufstieg in die Vorstandsebene von Unternehmen ist kein leichter. Ausdauer ist gefragt, selbstverständlich. Eine gute Ausbildung sowieso. Wichtig sind auch soziale Fähigkeiten, Umsetzungsstärke, Charisma und strategisches Denken. Verschiedene Studien belegen, dass Vorstandsmitglieder in allen diesen Eigenschaften überdurchschnittlich gut abschneiden.

Wenngleich man meinen könnte, dass es kaum Unterschiede zwischen Männern und Frauen in all diesen Eigenschaften und Fähigkeiten gibt und deshalb der Anteil an Frauen in Vorständen ähnlich hoch wie jener von Männern sein sollte, ist das nach wie vor nicht der Fall. In deutschen Dax-Unternehmen etwa beträgt der Frauenanteil in Vorständen rund 20 Prozent, mit leicht steigender Tendenz.

Bessere Aufstiegschancen

Nach wie vor gibt es Studien (etwa von Steven Kaplan und Morten Sorensen), die zeigen, dass Frauen weniger wahrscheinlich in die Vorstandsebene berufen werden, selbst wenn sie in den oben genannten Eigenschaften und Fähigkeiten gleich gut eingestuft werden wie Männer. Aufgrund all dieser Befunde konzentriert sich die öffentliche Diskussion vor allem auf die Frage, wie mehr Frauen in die Vorstandsebene aufsteigen können. Kaum eine Rolle spielt in dieser Diskussion die Frage, was denn eigentlich die Auswirkungen einer solchen Entwicklung wären. Darüber lohnt es sich aber nachzudenken.

Im Folgenden möchte ich auf einen wichtigen Aspekt möglicher Auswirkungen eingehen. Konkret geht es um die Frage, ob der Anteil an Frauen in Vorstandspositionen einen Einfluss auf die Gehaltsverteilung innerhalb von Unternehmen und dabei insbesondere auf die Gehälter von Frauen unterhalb der Vorstandsebene hat. Dazu haben Luca Flabbi von der University of North Carolina und seine Koautoren Daten von über 1000 italienischen Unternehmen im produzierenden Gewerbe gesammelt. In dieser Branche liegt der Frauenanteil an allen Mitarbeitern bei circa 25 Prozent. Der Anteil an Frauen im Vorstand liegt bei drei Prozent, und nur zwei Prozent aller Vorstandsvorsitzenden sind weiblich.

Aufgrund sehr detaillierter Personaldaten bezüglich Funktion und Gehalt von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in diesen Unternehmen konnten Flabbi und Koautoren nachweisen, dass sich die Gehaltsverteilung in einer Firma ändert, wenn Frauen im Vorstand tätig sind, insbesondere wenn eine Frau Vorsitzende, also CEO, ist. Viele frühere Studien fanden kaum Belege für den Einfluss von Frauen im Vorstand auf das durchschnittliche Gehalt von Männern und Frauen im betreffenden Unternehmen. Flabbi und seine Kollegen betrachteten aber als Erste nicht nur die durchschnittlichen Gehälter in einem Unternehmen, sondern auch die Gehaltsverteilung in Abhängigkeit vom Geschlecht. Dabei zeigte sich, dass gutqualifizierte Frauen im Unternehmen auch davon profitieren, wenn Frauen in dessen Vorstand sitzen.

Kleinerer Gehaltsgap

Konkret erhöht sich das Gehalt von Frauen, die zum bestverdienenden Viertel der Belegschaft zählen, um rund zehn Prozent, wenn mindestens eine Frau im Vorstand sitzt, verglichen mit einer Situation, wo der Vorstand ausschließlich männlich besetzt ist. Männer knapp unterhalb der Vorstandsebene verdienen hingegen einige Prozentpunkte weniger, wenn eine Frau im Vorstand ist. Dadurch verkleinerte sich der Geschlechterunterschied im Gehalt auf dieser Hierarchiestufe der Unternehmen.

Eine mögliche Erklärung könnte darin liegen, dass Frauen im Vorstand die Fähigkeiten von Frauen unterhalb der Vorstandsebene präziser und marktgerechter einschätzen können als Männer. Eine andere Quelle für diese Reduktion der Gehaltsunterschiede mag in einer verstärkten Mentorentätigkeit von Frauen im Vorstand für Frauen in den betreffenden Unternehmen liegen. Die Daten von Flabbi und Koautoren erlauben es nicht, die kausalen Zusammenhänge zu identifizieren. Jedoch zeigen sie deutlich, dass eine größere Anzahl an Frauen im Vorstand im produzierenden Gewerbe mit einer höheren Produktivität der gesamten Firma einhergeht. Sobald Frauen im Vorstand vertreten waren, waren die Erlöse pro Mitarbeiter um etwa drei Prozent höher. (Matthias Sutter, 27.6.2022)