Auch wenn die derzeitigen Temperaturen jeglichen Gedanken an die kalte Jahreszeit vertreiben, stellt sich vielen Menschen die Frage, wie sie über den Winter kommen werden, ohne Unsummen für Gas zu bezahlen.

Foto: Imago

Es bleiben noch rund vier Monate, bis im Herbst die nächste Heizperiode ins Haus steht. Angesichts der Gaskrise und steigender Preise graut vielen Menschen bereits jetzt vor saftigen Nachzahlungen. Dabei kann jede und jeder Einzelne den eigenen Verbrauch anpassen, um das Risiko exorbitanter Gasrechnungen zumindest etwas zu reduzieren.

Die Thematik beschäftigt neben der Politik auch die Wissenschaft, die einige Empfehlungen bereithält, um im kommenden Winter Gas zu sparen. In Summe kann eine Reihe kleiner Verhaltensänderungen neben dem Verbrauch auch die Belastung für die Geldbörse mildern, wie Expertinnen und Experten erklären.

Tipp 1: Die Raumtemperatur drosseln

Einsparungspotenzial: Sechs Prozent Heizenergie pro Grad

Der Großteil des Energieverbrauchs privater Haushalte entfällt auf das Heizen von Gebäuden. Dementsprechend liegt hier auch das größte Einsparungspotenzial, und zwar durch das Senken der Raumtemperatur. "Die Innenraumtemperatur in Wohnungen in Europa beträgt durchschnittlich 22 Grad. Ein Grad weniger spart sechs Prozent Energie", erklärt Immanuel Stieß vom Institut für Sozialökologische Forschung (ISOE) in Frankfurt am Main.

Die Raumtemperatur zurückzudrehen sieht auch Hans Auer von der Energy Economics Group der TU Wien als den gewichtigsten Beitrag, den Kunden und Endverbraucherinnen zur Einsparung von Gas leisten können. "Das Thermostat von 24 auf unter 20 Grad zu senken hat im privaten Rahmen bestimmt den größten Effekt."

In diesem Zusammenhang fragt es sich, ob es notwendig ist, das gesamte Eigenheim gleichermaßen stark zu heizen. Stefan Büttner von der Universität Stuttgart rät Konsumentinnen und Konsumenten dazu, die Heizgewohnheiten in diesem Winter zu überdenken und zu identifizieren, wie viel Wärme tatsächlich notwendig ist. So sei es vielfach nicht nötig, alle Räume in Haus oder Wohnung zu heizen. Zeitschaltungen, die die Temperatur nachts automatisch senken, sind ebenfalls hilfreich.

Einzelne Räume gezielt zu heizen und in anderen etwas niedrigere Temperaturen zu tolerieren kann letztlich auch der nächtlichen Erholung dienen. Studien zufolge liegt die Temperatur für den geruhsamsten Schlaf zwischen 15 und 19 Grad.

In puncto Heizung weisen Expertinnen und Experten auch darauf hin, Heizkörper regelmäßig zu entlüften – und die Wärmespender keinesfalls zu stark zu verbauen oder abzudecken.

Wer die Temperatur im Eigenheim um nur ein Grad drosselt, spart damit rund sechs Prozent Energie.
Foto: Imago

Tipp 2: Den Warmwasserverbrauch einschränken

Einsparungspotenzial: Bis zu 20 Prozent Energie

Während die Frage der Raumtemperatur erst in den kälteren Monaten Relevanz gewinnt, ist der Warmwasserverbrauch saisonübergreifend Thema. Da sich dieser Verbrauch im Lauf des Jahres kaum verändert, lässt sich hier auch schon im Sommer Energie einsparen. "25 bis 40 Prozent des Warmwasserverbrauchs in Gebäuden entfallen auf das Duschen", sagt ISOE-Experte Stieß.

Wer kürzer und bei geringerer Wassertemperatur duscht, kann den Verbrauch an Warmwasser um bis zu 15 Prozent verringern. Weitere fünf Prozent können eingespart werden, indem man sich vom normalen Duschkopf verabschiedet und ein Modell mit integriertem Wassersparmechanismus installiert. Insgesamt können durch diese Schritte kurzfristig "zehn bis 20 Prozent der Energie für Warmwasser eingespart werden", sagt Stieß.

Lange und insbesondere heiße Duschen auf ein Minimum zu reduzieren hat zudem auch für die Gesundheit der Haut positive Auswirkungen. Denn übertriebene Hygiene bringt Fachleuten zufolge oft mehr Schaden als Nutzen. Die Empfehlung lautet: Duschgel auftragen, kurz eincremen, zügig abspülen, und die Dusche kann beendet werden. Dadurch wird der Eigenschutz der Haut nicht ständig angegriffen, und diese neigt weniger zum Austrocknen.

Tipp 3: Auf die richtige Dämmung setzen

Einsparungspotenzial: Bis zu fünf Prozent Energie

Zugegeben, Häuser oder Wohnungen noch vor dem nächsten Winter im großen Stil zu dämmen wird schwierig bis unmöglich. Zu voll sind die Terminkalender vieler Handwerksbetriebe, außerdem steht der Denkmalschutz solchen Unterfangen oft im Weg. Zudem haben Mieterinnen und Mieter oft nicht das Recht, derlei große Eingriffe auf eigene Faust umzusetzen, gibt Auer von der TU Wien zu bedenken.

Dennoch muss niemand tatenlos herumsitzen, während es in Haus oder Wohnung wie in einem Vogelhaus zieht. Abhilfe schaffen bei Fenster- und Türrahmen etwa selbstklebende Dichtungsstreifen, die es verhältnismäßig günstig im Fachhandel und Baumarkt zu erstehen gibt. Das Abdichten alter Fenster kann den Bedarf an Heizwärme um bis zu fünf Prozent verringern. Allerdings muss bei nicht gedämmten Bauten die Luftfeuchtigkeit im Auge behalten werden, erklärt Dirk Müller von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. "Die relative Feuchte der Raumluft sollte nicht über 60 Prozent steigen, da es sonst zu einer Bildung von Schimmelpilzen kommen kann."

Weitere Maßnahmen, die sich in Eigenregie umsetzen lassen, sind die Isolierung von Heizungsrohren und das Anbringen von Reflexionsfolien in Heizkörpernischen.

Alte oder undichte Fenster lassen unnötig Wärme entweichen. Mit Dichtungsstreifen lässt sich dieser Verlust kostengünstig eindämmen.
Foto: Imago

Tipp 4: Geschickt haushalten

Selbst im kältesten Winter braucht es in regelmäßigen Abständen Frischluft. Anstatt Fenster gekippt zu halten, rufen Fachleute zum Stoßlüften auf. Werden sämtliche Fenster für wenige Minuten komplett geöffnet, ist neben der Sauerstoffzufuhr auch gewährleistet, dass nicht konstant Wärme entweicht.

"Effizient kochen" nennt TU-Experte Auer eine weitere Strategie, mit der sich im kleinen Rahmen ebenfalls Energie sparen lässt. Zwar sei es nur ein Tropfen auf den heißen Stein, doch auch in der Küche gibt es Möglichkeiten, den Energieverbrauch mit wenigen Handgriffen herunterzuschrauben. Dazu gehört etwa, Töpfen beim Kochen einen Deckel aufzusetzen. Dadurch gehen weniger Hitze und Energie verloren.

Passen die Größe des Kochtopfs und des Kochfelds zusammen, kann das ebenfalls einen kleinen Spareffekt bringen. Allen Freundinnen und Freunden von Kartoffeln, Nudeln und Co sei ans Herz gelegt, nur so viel Kochwasser zu verwenden, wie tatsächlich nötig ist. Im Normalfall wird meist zu viel Wasser erhitzt. Wertvoll sind diese Tipps übrigens nicht nur für jene, die auf einem Gasherd kochen. Auch beim E-Herd gilt: Wer Strom spart, spart auch Gas, wie der folgende Tipp zeigt.

Tatort Küche: Beim Kochen die richtige Menge Wasser zu verwenden hilft ebenso beim Sparen, wie Töpfen einen Deckel aufzusetzen.
Foto: Imago

Tipp 5: Auf den Stromverbrauch achten

Der sparsame Umgang mit Strom trägt ebenfalls dazu bei, den Gasverbrauch zu senken, stimmen Fachleute überein. Schließlich spielt Gas eine wichtige Rolle bei der Stromerzeugung. "Jede eingesparte Kilowattstunde Strom muss nicht durch Gas oder andere klimaschädliche Energieträger erzeugt werden", sagt Immanuel Stieß vom ISOE.

Gesellschaftsübergreifend Energie zu sparen habe in der aktuellen Situation – und in Hinblick auf den kommenden Winter – einen hohen Stellenwert. "So spart man selbst Geld, wenn man unnötigen Verbrauch kleiner Alltäglichkeiten, die einem sonst kaum auffallen, abstellt", erklärt Stefan Büttner vom Insitute for Energy Efficiency in Production der Uni Stuttgart. Achten kann man hier etwa auf elektronische Geräte im Standby-Modus ebenso wie auf Programme und Apps, die am PC oder Handy im Hintergrund laufen, oder auf die Kühlstufe, auf die der Kühlschrank eingestellt ist.

Weitere Tipps zum Stromsparen gibt Martin Pehnt vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg. Er plädiert dafür, alte Glühbirnen durch LED-Lampen zu ersetzen, abschaltbare Steckerleisten zu verwenden oder auf den Trockner zu verzichten und die Wäsche an der Luft trocknen zu lassen. "Denn: Jede eingesparte Kilowattstunde zählt."

Zukunftsausblick und strukturelle Probleme

"Durch das entsprechende Benutzerverhalten kann jeder und jede einen Beitrag leisten", sagt Auer von der TU Wien. Dennoch werde durch die Gaskrise ein tieferliegendes Problem sichtbar, das in der Öffentlichkeit zu lange ausgeklammert wurde, sagt der Experte für Energiewirtschaft.

Selbst die stärksten Bemühungen und Verhaltensänderungen im privaten Rahmen können strukturelle Probleme nicht aus der Welt schaffen. Das betrifft insbesondere den Wunsch, Heizsysteme zu tauschen oder etwa Gebäude besser zu dämmen. "Bis zum Winter werden wir das ohnehin nicht schaffen, aber auch im kommenden Jahr und in Hinblick auf die Energiewende stehen wir vor einem Dilemma", erklärt Auer.

"Unser wahres Problem ist aber, dass uns die Handwerker, die Elektriker, die Installateure fehlen", mahnt er. Gerade dieses Fachpersonal sei unverzichtbar, "um die Energiewende technisch auf den Boden zu bringen". In der öffentlichen Diskussion müsse diesem Umstand künftig mehr Aufmerksamkeit und Bedeutung zukommen: "Ohne diese Leute schaffen wir nicht, was wir in puncto Energie und Klima bis 2040 erreichen wollen." (mare, 28.6.2022)