Auch Patrick Konrad, Tour de France-Etappensieger im Vorjahr, fuhr einst für Tirol KTM Cycling.

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Thomas Pupp gründete gemeinsam mit Georg Totschnig im Jahr 2007 den Tiroler Rennstall.

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Der Deutsche Felix Engelhardt zeigte zuletzt stark auf, führ beim harten U23-Giro auf Platz sechs.

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Der sprintschnelle Slowene Matevz Govekar wechselte Anfang Juni mit einem Profivertrag zum World Tour-Team Bahrain Victorious.

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Die Tour de France ist die Champions League des Radsports. 22 Teams schicken 176 Fahrer ins Rennen, ein Rennstall aus Österreich ist nicht dabei und irgendwie doch. Tirol KTM Cycling fährt als Contintenal-Team in der dritten Leistungsstufe des Weltverbandes (UCI) und gilt als Talenteschmiede. Mit Tour-Etappensieger Patrick Konrad, Marco Haller, Michael Gogl, Sebastian Schönberger und Gregor Mühlberger fuhren fünf der sechs heimischen Tour-Teilnehmer einst für die Tiroler. Mit einem Budget von weniger als 500.000 Euro sind die Innsbrucker ein Zwerg auf der Tour, "es ist jedes Jahr eine Gratwanderung, ein Kampf David gegen Goliath", sagt Mitgründer und Manager Thomas Pupp zum STANDARD.

Im Konkurrenzkampf unter den Rennställen gibt es eine Dreiklassen-Gesellschaft. Ganz oben, da sind die Mannschaften der Königsklasse mit einer World Tour-Lizenz, eine Stufe darunter rangieren die Pro-Teams und in der dritten Leistungsstufe schließlich die Continental-Teams. In Nachwuchs-Rennen wie zuletzt dem prestigeträchtigen U23-Giro d'Italia tritt Tirol KTM Cycling gegen die Development-Teams der großen Rennställe an. Die kommen mit komfortablen Teambussen, ihren eigenen Köchen und einem großen Betreuerstab. "Beim wichtigsten Nachwuchsrennen des Jahres macht es dann schon einen Unterschied aus, ob du am Berg noch drei Betreuer mit Trinkflaschen stehen hast, oder eben gar keinen".

Das Rad dreht sich immer schneller

In der aktuellen Weltrangliste ist das Tirol-KTM-Team die Nummer 97. Pupp sieht großen Reformbedarf in einer Sportart, in der sich "das Rad immer schneller dreht", die Schere zwischen großen und kleinen Teams weiter aufgeht und Fahrer immer jünger auf die World Tour drängen. Was etwa im Fußball längst Usus ist, fehlt im Radsport nach wie vor: eine vertraglich geregelte Ausbildungsentschädigung für Teams, denen ihre größten Talente weggeschnappt werden.

Zudem sind die Budget-Unterschiede selbst bei den Topteams immer noch erheblich. Spitzenreiter ist der britische Rennstall Ineos mit etwa 50 Millionen Euro Jahresetat, bei den meisten anderen Elite-Teams dürfte sich das Budget in einem Rahmen zwischen zwölf und 20 Millionen Euro bewegen. Pupp kritisiert den Weltverband (UCI), der sich zu wenig um Nachhaltigkeit im Radsport bemühe. In dieser Gemengelage läuft auch die Debatte über die Zukunft des Radsports – etwa über eine Budgetgrenze um ausgeglichenere Verhältnisse zu schaffen. Der Tiroler Rennstall ist günstig am Innsbrucker Hauptbahnhof beheimatet, die Bekleidung im Jahreswert von etwa 70.000 Euro wird ebenso gesponsert wie die Räder. Für große Teams sind das Peanuts.

Was falsch läuft

Weitere Einnahmemöglichkeiten für den Radsport könnten sich durch bessere Verträge mit den Rennveranstaltern ergeben. Der Organisator der Tour de France, die Amaury Sport Organisation (ASO), zu der auch auch die französische Sporttageszeitung "L'Équipe" gehört, machte mit der Tour im Vorjahr mehr als 160 Millionen Euro Umsatz, vermutete Gewinnmarge: 20 Prozent. "Nur einen Bruchteil davon gibt die ASO an die Teams weiter", sagt Pupp. "Davon profitieren nur Marketing-Agenturen. Es braucht endlich vernünftige Verträge, da ist ein Versäumnis der UCI."

Das Niveau im Nachwuchs steigt rasant und damit auch die Erwartungshaltung. "Heute können sich junge Fahrer auf Strava (eine Fitness-App, Anm.) detailliert vergleichen, von gewichtsbezogener Kraftleistung über Geschwindigkeit und Kalorienverbrauch. Das macht ihnen aber auch einen gewaltigen Druck", sagt Pupp. So manches Talent wurde im Radzirkus in jüngerer Vergangenheit "verbrannt": zu viele Rennen, zu hoher Ergebnisdruck, zu wenig Regeneration. Und dann gibt es auch noch die Nachwirkungen von Corona. Der deutsche Ex-Profi Dominik Nerz hat ein Buch über seine Magersucht geschrieben, an der er fast zu Grunde gegangen wäre. Heute ist Nerz Koch.

Auch bei Tirol KTM Cycling hat man Erfahrung mit jungen Menschen, die das Handtuch geworfen haben, sich die Sinnfrage gestellt haben. Der US-Amerikaner Logan McLain, dem Pupp großes Talent bescheinigt, beendete seine Karriere vor kurzem. Mit nur 19 Jahren. Der Rennkalender im U-23 Bewerb ist dicht, auch wenn ein Fixpunkt wie die Österreichrundfahrt ausfällt. Auffallen müssen die Tiroler Talente anderswo. Pupp: "Die Rundfahrt interessiert Scouts nicht." (Florian Vetter, 29.6.2022)