Ein Bild von der Tiroler Ärztekammerwahl aus dem Februar. Danach wählten weitere Länderkammern, Ende vergangener Woche bildete die Wahl der Bundesfunktionäre den Abschluss. Fast alle sind Männer.

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Wir schreiben das Jahr 2022 – und erstmals geht eine der Spitzenfunktionen in der Österreichischen Ärztekammer an eine Frau. Naghme Kamaleyan-Schmied wurde Ende vergangener Woche zur Obmann-Stellvertreterin der Bundeskurie für niedergelassene Ärzte gewählt. Die Ärztekammer twitterte denn auch am 25. Juni ein Foto, auf dem die Allgemeinmedizinerin mit Praxis in Wien-Floridsdorf zu sehen ist – etwas hinter Johannes Steinhart stehend. Der Wiener Ärztekammerpräsident sitzt am Schreibtisch – in seiner Funktion als oberster Standesvertreter auf Bundesebene, zu dem er am Freitag gewählt wurde. Wiener Kammerpräsident ist er seit Ende April.

Wenn man gute Zusammenarbeit auf Augenhöhe bildlich einfangen wollte, ist das nicht ganz gelungen. Kamaleyan-Schmied bezeichnet Steinhart im STANDARD-Gespräch aber als einen Chef, der sie immer gefördert habe. "Und ich bin sicher keine Quotenfrau", sagt sie. Sie sage, was sie denke, und engagiere sich seit 15 Jahren in der Standespolitik, deshalb sei sie jetzt in dieser Bundesspitzenfunktion.

Dass andere Frauen es nicht sind, sorgt bei einigen in der Kammer nun für Unmut. Tags zuvor hatte die Bundeskammer ein Gruppenbild gepostet – nur mit je einem Stellvertreter sowie dem Finanzreferenten und dessen Stellvertreter darauf. Gendern ist hier nicht notwendig: Es sind nur Männer. Wie auch diesmal allen neun Länderkammern nur Präsidenten vorstehen.

Im Detail sieht die Besetzung der Bundesfunktionen wie folgt aus: Der Kammerpräsident, Steinhart, hat einen ersten Vize – Harald Schlögel, Präsident der Ärztekammer für Niederösterreich – sowie die beiden Bundeskurienobmänner als weitere Stellvertreter. Das ist der Tiroler Edgar Wutscher, der nun der Kurie der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte vorsteht, wo er Steinhart nachfolgte. Stellvertreter Wutschers ist Dietmar Bayer aus der Steiermark sowie als zweite Stellvertreterin eben Kamaleyan-Schmied.

Der Obmann der Bundeskurie für die angestellten Ärztinnen und Ärzte ist Harald Mayer, der nun schon in die fünfte Amtsperiode geht. Der 62-jährige Unfallchirurg am Landeskrankenhaus Schärding in Oberösterreich hat in seiner Kammerfunktion zwei Stellvertreter: Stefan Ferenci, Vizepräsident und Obmann der Kurie der angestellten Ärzte der Wiener Ärztekammer und Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, sowie Rudolf Knapp. Knapp ist Radiologe am Bezirkskrankenhaus Kufstein.

Bei Wahl den Raum verlassen

Vertreter aus den Länderkammern von Niederösterreich, Salzburg, Kärnten und Vorarlberg fordern nun eine Wiederholung der Wahl in der Kurie der angestellten Ärzte, nachdem sie aus Protest gegen die Zusammensetzung des Gremiums vor der Abstimmung den Raum verlassen hatten. Diese Aktion sei notwendig geworden, da sowohl Frauen als auch Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung in der Kammer unterrepräsentiert seien, erklärt Johanna Zechmeister von der niederösterreichischen Ärztekammer dem STANDARD. Sie sagt, sie und andere Frauen hätten sich für eine bundesweite Funktion interessiert, es sei aber kommuniziert worden, dass schon alles ausgehandelt sei.

Seitens der Ärztekammer hieß es am Montag zu all dem, dass alles rechtmäßig abgelaufen sei. Und es habe sich für fünf Wahlgänge nur eine Kandidatin aufgestellt. Die sei auch gewählt worden.

Mayers Stellvertreter-Posten sei eigentlich für Ärzte in Ausbildung vorgesehen, lautet die Kritik weiter, Vize Stefan Ferenci hingegen sei zwar auch in einer Lehrpraxis angestellt, betreibe aber schon länger eine eigene Praxis als niedergelassener Facharzt. Das habe mit dem Berufsalltag dieser Gruppe wenig zu tun. Für Mayer ist Ferenci laut Ö1-Bericht dennoch geeignet.

Unterschiedliche Lebenswelten

"Es wird rechtlich zu klären sein, ob diese Wahl rechtsgültig ist oder nicht", fasst der Vizepräsident der Salzburger Kammer, Jörg Hutter, zusammen. Er fände es wichtig, eine "Ausgewogenheit der Lebenswelten" der Ärztinnen und Ärzte in der Kammer repräsentiert zu sehen. Das sei derzeit nicht der Fall. (Gudrun Springer, 27.6.2022)