Bis 2030 wird die Zahl der Kinder an Pflichtschulen um fünf Prozent steigen – und etliche Lehrerinnen und Lehrer werden in Pension gehen.

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Neu ist die Problematik nicht: Seit Jahren fehlen in bestimmten Fächern und Regionen in Österreich ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer. Dieser Trend hat sich laut der Bildungsdirektion nun aber auf alle Bundesländer ausgebreitet: Demnach verschärfen Faktoren wie die Pensionierungswelle und der Trend zu Teilzeitbeschäftigung die Engpässe weiter.

Dass dem Lehrkräftemangel entgegengewirkt werden muss, veranschaulichen auch Zahlen aus dem Nationalen Bildungsbericht: Demnach wird die Zahl der Kinder und Jugendlichen im Pflichtschulalter bis 2030 um mehr als fünf Prozent steigen. Das Problem: Im gleichen Zeitraum geht ein Viertel der Lehrkräfte an Volksschulen und ein Drittel an Mittelschulen in Pension.

Lehrkräfte am Rand ihrer Kräfte

Über den aktuellen Stand sagte Bernd Kniefacz von der Österreichischen Lehrer:innen-Initiative (ÖLI-UG) zu orf.at: "Viele Lehrerinnen und Lehrer sind am Rand ihrer Kräfte wegen vermehrter Supplierungen für Kolleginnen, die zu einer Risikogruppe gehören, schwanger oder in Quarantäne sind." Er berichtet von Anfragen bezüglich Ausstiegsszenarien aus dem Lehrberuf, die sich häufen würden. Vielen belaste das Hin und Her zwischen Distance-Learning und physischem Unterricht sowie das Ansteckungsrisiko in den Klassen, sagt Kniefacz.

Beim Blick auf den akuten Lehrermangel sticht Vorarlberg hervor: Laut Bildungsdirektion hat sich dort die Lage im Volksschul- und Sonderschulbereich besonders verschärft. Aktuell seien dort noch zwölf klassenführende Stellen offen. Im Pflichtschulbereich seien sogar 250 Stellen ausgeschrieben, an Mittelschulen und polytechnischen Schulen würden noch 17 Fachlehrpersonen fehlen. Ein großes Problem sei dabei die starke Abwanderung von Lehrkräften in die Schweiz und nach Liechtenstein.

Obwohl alle Bildungsdirektionen laut ORF den Unterricht im Herbst sichergestellt sehen, berichtet auch Tirol von Engpässen. In der Steiermark gebe es in peripheren Regionen und in gewissen Fächern zu wenige Bewerbungen. In Wien werde aktuell vor allem Volksschulpersonal gesucht, und in Niederösterreich sei "an allen Hebeln gedreht worden, um dem Notstand entgegenzuwirken" – 600 Lehrpersonen wurden für 2022/23 aufgenommen, auch über 65-Jährige wurden weiterbeschäftigt.

Schnelle Lösungsansätze

An welchen Hebeln drehen dabei andere Bundesländer? An unterschiedlichen: In Mangelfächern wird auf Mehrdienstleistungen, Sonderverträge und pensionierte Pädagogen und Pädagoginnen gesetzt. Oberösterreich ging in eine Attraktivierungsoffensive: Man habe im vergangenen Jahr gezielt Maturantinnen und Maturanten angesprochen, um ihnen den Lehrberuf schmackhaft zu machen. Wien, Niederösterreich und das Burgenland wollen sich eng absprechen und langfristig auf eine Internationalisierung der Lehrkräfte setzen. Kärnten stoppte etwa Karenzierungen gegen Entfall der Bezüge für das kommende Schuljahr. An den Volksschulen gebe es bereits rotierendes Personal, das zur Vertretung in Krankenständen eingesetzt wird.

Das Bildungsministerium sieht all das noch gelassen: Immerhin laufen noch die Bewerbungsverfahren für das kommende Schuljahr. Eine finale Bewertung sei demnach erst im Herbst möglich. Als wichtiges Instrument sieht das Ministerium allerdings die kommende Dienstrechtsnovelle, mit der der Quereinstieg rechtlich verankert wird. Das bedeutet in der Praxis, dass Bewerberinnen und Bewerber aus fachverwandten Studien sofort und ohne Sondervertrag in den Lehrberuf einsteigen können. Allerdings ist auch dem Ministerium eines klar: Es führt kein Weg daran vorbei, den Lehrberuf massiv zu attraktiveren. (etom, APA, 27.6.2022)