Auch am dritten Prozesstag gegen sieben linke Aktivisten waren die Sitzreihen des Großen Schwurgerichtssaals des Straflandesgerichts Wien größtenteils mit gleichgesinnten Zuschauerinnen besetzt.

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Ein leises Seufzen geht durch den Saal, als Richterin Sonja Weis im Großen Schwurgerichtssaal verkündet, dass sie die Verhandlung gegen sieben linke Aktivisten erneut vertagen wird. Schon am Montag wurde das Urteil in dem Strafprozess gegen die jungen Männer erwartet, nun wird es aber frühestens im Oktober verkündet.

Zum Hintergrund: Die Angeklagten sollen laut Staatsanwaltschaft dreimal Mitglieder der rechtsextremen Gruppierung der Identitären physisch angegriffen haben. Es geht um Vorfälle im März, Mai und August 2020. Im März soll es am Rande eines Standes der Sozialistischen Jugend (SJ) zu einem Angriff gekommen sein, ein Angriff mit Glasflaschen soll sich im Mai zugetragen haben, und im August sei es zu einem Tumult auf dem Meidlinger Migazziplatz gekommen. Letzterer stand auch am Montag im Fokus der Verhandlung.

Maskenverweigerung und Gerangel vor Beginn

Bereits vor Prozessbeginn war die Stimmung im Wiener Straflandesgericht aufgeheizt. Rund 40 linke Aktivistinnen und Aktivisten und einige Personen aus dem Umfeld der Identitären warteten vor der Sicherheitskontrolle, die von mehreren Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten betreut wurde. Zunächst verzögerte sich der Einlass, weil ein paar der Rechten sich weigerten, eine Maske aufzusetzen. Als der Einlass begann, kam es nach verbalen Beleidigungen zu einem Gerangel zwischen den zwei Gruppierungen, worauf die Polizisten beide Gruppen von der Sicherheitsschleuse zurückdrängten. "Was machen Sie bitte?", ruft einer der linken Sympathisanten der Polizei zu, die die Situation seines Erachtens nicht ausreichend deeskalierte. Einer der Polizisten dürfte außerdem früher zumindest auf Facebook Zustimmung zu den rechtsextremen Identitären gezeigt haben.

Kurz nach neun Uhr eröffnet Richterin Weis die Verhandlung und gibt einen kurzen Überblick über die bisherigen Verhandlungstage. Die sieben Angeklagten bekannten sich von Anfang an nicht schuldig und sagten nicht zu den Vorfällen aus. Das von ihnen Vorgetragene habe sich darauf reduziert, so die Richterin, ihre politische Einstellung darzulegen und dass sie sich zu Unrecht als verfolgt ansehen. Auch heute ist den Angeklagten wichtig, eine politische Botschaft zu senden: Vor einem der Männer steht ein Ordner, auf dem "Refugees Welcome" zu lesen ist, ein anderer hat vor sich ein Schild stehen, das Freiheit für den inhaftierten Anführer der kurdischen Arbeiterpartei PKK Abdullah Öcalan fordert.

Die restlichen Plätze im Saal sind von mehreren Dutzend Aktivistinnen und Aktivisten besetzt, die entweder aus Solidarität mit den Angeklagten hier sind oder um über den Prozess zu berichten. Auch Mitglieder der Identitären beobachten den Prozess, sie wurden aber von der Polizei auf die Tribüne über dem Zuschauerraum geschickt.

Observation von "Zielperson 1"

Kern dieses Prozesstages war die Vernehmung eines Polizeibeamten, der mit der Observation eines der Angeklagten befasst war. Er wurde dazu per Video aus dem Bezirksgericht Josefstadt zugeschaltet, ein Vorgesetzter bestätigte die Identität des Beamten, der anonym blieb, um seine weitere Einsetzbarkeit zu gewährleisten.

Einer der Angeklagten, der von dem Polizisten als "Zielperson 1" bezeichnet wurde, und ein weiterer Angeklagter, diesen nannte er "P1", seien an einem gewalttätigen Tumult auf dem Migazziplatz am frühen Abend des 19. August 2020 beteiligt gewesen. Dort hätten mehrere linke Aktivisten Identitäre attackiert. Der Polizist sei mit Kollegen etwas abseits des Platzes positioniert gewesen. Deutlich gesehen habe er daher nur, wie die vermutliche P1 Faustschläge gegen einen Unbekannten abgegeben habe. "Ob der getroffen wurde, kann ich nicht sagen", sagt der Polizist. So schnell, wie es begonnen habe, sei es nämlich auch schon wieder vorbei gewesen. Sowohl die Zielperson als auch P1 liefen weg. P1 hätte er aber wegen seines schwarzen Pullovers und eines roten Gilets identifizieren können, deren der Aktivist sich bei der Flucht entledigt hätte.

"Das hat so geplant ausgesehen"

"Haben Sie das gesehen?", fragt Richterin Weis. "Gesehen habe ich das nicht," sagt der Polizist, aber es gebe Fotos von P1 ohne die Kleidung zu einem späteren Zeitpunkt. Und wie sei es überhaupt zu diesem Vorfall gekommen, will Weis wissen. War es ein Angriff aus heiterem Himmel? Die mutmaßlichen Angreifer dürften schon auf diese Gruppe gewartet haben, meint der Polizist. "Das hat alles aus meiner Sicht so geplant ausgesehen", sagt er, aber gesteht gleichzeitig ein: "Den Beginn habe ich leider nicht gesehen, die ersten paar Sekunden." Fünf bis zehn Sekunden habe die ganze Auseinandersetzung aus seinem Blickwinkel gedauert. Ob aber die Zielperson neben der P1 auch Schläge abgegeben habe, das wisse der Polizist nicht. Das wisse aber wiederum ein anderer Kollege. "Kann man klären, ob noch jemand das genauer sagen kann? Wie lange dauert das?", fragt Richterin Weis schließlich. "Es kommt drauf an wegen Urlaubszeit et cetera", sagt der Beamte. Viel mehr kann er aber nicht zur Wahrheitsfindung beitragen.

Überraschend für viele Beobachterinnen und Beobachter, vertagt Richterin Weis den Prozess also noch einmal, um auch den anderen an der Observation beteiligten Beamten zu vernehmen. Weil die Terminfindung bei sieben Angeklagten und drei Verteidigern Ende Juni aber kein Leichtes ist, findet Prozesstag vier erst am 20. Oktober statt. (Levin Wotke, 27.6.2022)