Michael Ludwig am Donauinselfest. Ausgerechnet an dem Wochenende wurde klar, dass er mit einem falschen Klitschko gesprochen hatte.

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Wien – Für die FPÖ ist der Fauxpas freilich ein gefundenes Fressen. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) dachte – wie berichtet –, vergangene Woche mit Kiews Bürgermeister Witali Klitschko telefoniert zu haben. Doch der ukrainische Politiker gibt an, nicht bei dem Videocall dabei gewesen zu sein. Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp zieht nun prompt Vergleiche zur Ibiza-Affäre und kündigte in der Gemeinderatssitzung am Montag eine Anzeige an, sollte Ludwig das Band zum Video nicht herausgeben bzw. veröffentlichen.

Allerdings: Es gibt gar kein Band. Jedenfalls keines, das seitens des Rathauses angefertigt wurde. Das sagt jedenfalls ein Sprecher Ludwigs im Gespräch mit dem STANDARD. Ob der angebliche Klitschko oder Dritte die Unterredung aufgezeichnet haben, wisse man nicht. Selbst wenn man eine Aufzeichnung hätte, wäre eine Veröffentlichung aber nicht unbedingt die Herangehensweise der Wahl, lässt der Sprecher durchblicken.

Ebenso wenig wie eine Aufzeichnung hat das Wiener Bürgermeisterbüro nach eigenen Angaben Screenshots angefertigt. Man habe lediglich "zwei, drei Fotos" gemacht. Eines davon teilte Ludwig auf Twitter, allerdings ist der Fake-Klitschko darauf nicht sonderlich gut zu erkennen.

Bessere Aufnahmen gibt es von jenem womöglich anderen angeblichen Klitschko, mit dem die Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) konferiert hatte. Ihr Büro veröffentlichte auf Twitter zuletzt ein Foto von einem Monitor, auf dem die Stadtchefin und ihr Gesprächspartner zu sehen sind.

Ludwig aus dem Schneider

Und was hat es mit der Anzeige auf sich? Für die FPÖ besteht der Verdacht "des Verrats bzw. der Preisgabe von Staatsgeheimnissen, des Beitrages zum Ausspionieren von Geheimnissen oder der Unterstützung von fremden Geheimdiensten". Wenn Ludwig bis Dienstagmittag kein Video herausrückt, sieht Nepp eine Anzeige als eine "staatsbürgerliche Pflicht".

Der Wiener Strafrechtsexperte und Jurist Frank Höpfel hält diese Vorgehensweise nicht für besonders zielführend. "Ludwig kann in keinster Weise strafrechtlich belangt werden", sagt er zum STANDARD. Auch weil im konkreten Fall für einen Verrat von Staatsgeheimnissen der Vorsatz fehle.

Wenn überhaupt, könnten die Täterinnen oder Täter belangt werden, nämlich wegen Spionage. Sollten sie versucht haben, staatliche Interna aus Bürgermeister Ludwig herauszukitzeln, stünde das Delikt der Ausspähung von Staatsgeheimnissen im Raum. Darauf steht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Wäre der Anruf aber nur ein Scherz gewesen, so Experte Höpfel, dann käme lediglich das Delikt der Täuschung infrage. Darauf steht bis zu ein Jahr Haft oder bis zu 720 Tagessätze Geldstrafe. Den Anrufern könnte also in Österreich der Prozess gemacht werden – theoretisch. Denn dafür müsste man sie erst einmal finden. (elas, rach, 27.6.2022)