Cecilia Bartoli macht Rossini für ihre Stimme verantwortlich, er halte sie "elastisch".

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Cecilia Bartoli gibt ihr Debüt an der Wiener Staatsoper!" – diesen Satz muss man sich im Jahr 2022 erst einmal auf der Zunge zergehen lassen. Seit über 30 Jahren singt die gebürtige Römerin auf den wichtigen Bühnen von Zürich bis New York, hat über zwölf Millionen Alben verkauft, fünf Grammys gewonnen und vergessene Komponisten wachgeküsst. Sie ist künstlerische Leiterin der Pfingstfestspiele Salzburg; 2023 wird sie Intendantin der Opéra de Monte-Carlo. Aber erst als Mittfünfzigerin ist Cecilia Bartoli in der Staatsoper angekommen. Da sich in diesem Jahr das Wiener Rossini-Fieber zum 200. Mal jährt, gestaltet sie eine ganze Woche im Zeichen von Gioachino Rossini, den sie ihren "Mentor" nennt.

Ihren ersten Rossini sang Bartoli mit 16 am Konservatorium in Rom. Drei Jahre später debütierte sie in Monte Carlo als Rosina im Barbier von Sevilla. Seither begleitet sie der italienische Komponist und Bonvivant auf Schritt und Tritt, und sei das Geheimnis ihres Erfolges: "Er hält die Stimme agil und elastisch, von den hohen bis zu den tiefen Noten." Und weil es aus der Bartoli nur so sprudelt, wenn sie über Rossini spricht, gibt sie sogleich eine Kostprobe ihrer Kunst, Koloraturen virtuos zu zelebrieren.

Fasziniert von "Aida"

Ihr Instrument, die Stimme, hat Bartoli dank ihrer Eltern entdeckt. Die Mutter, selbst Opernsängerin, unterrichtete die Tochter zu Hause und führte sie in die Welt des klassischen Gesanges ein. Als Dreijährige saß Bartoli zum ersten Mal in der Oper und lauschte fasziniert Verdis Aida und Puccinis Turandot. Mit neun sang sie ihre erste Rolle, die Partie des Hirtenjungen in Puccinis Tosca. Mit 14 ging sie dann ans Konservatorium, Bartoli begann mit dem Gesangsstudium und tanzte eine Zeitlang Flamenco.

Ihre Karriere, sagt Cecilia Bartoli, habe sie allerdings einer recht großen Portion Glück zu verdanken. Als sie 1985 im Alter von 19 Jahren bei einer Talenteshow im italienischen Fernsehen mitwirkte, sah Dirigent Daniel Barenboim ihren Auftritt und lud sie sofort zum Vorsingen nach Paris ein. Eine Sängerin war kurz vor einem Gedenkkonzert für Maria Callas erkrankt, so musste Ersatz gefunden werden. Die blutjunge Bartoli sang Barenboim vor, wurde vom Fleck engagiert. Der Rest ist große Karrieregeschichte.

Für ihre Wiener Residenz hat Bartoli neben einer halbszenischen Aufführung von La cenerentola (mit ihr als Angelina) auch die Rossini-Rarität Il turco in Italia in der farbenfrohen Inszenierung von Jean-Louis Grinda, Noch-Intendant der Oper Monte-Carlo, im Gepäck. Ildebrando D’Arcangelo gibt den türkischen Fürst auf Reisen, La Bartoli die kapriziöse Donna Fiorilla.

Auch mit Domingo

Es wird auch reflektiert: Den Auftakt macht ein Rossini-Symposium, bei dem Geheimnisse über den damaligen Wiener Superstar gelüftet werden. Als Rossini im April 1822 Wien erreichte, löste er ja in der Kaiserstadt einen wahren Rossini-Rausch aus. Zum Finale der Wiener "Rossini Mania" lädt Bartoli dann zu einer großen Gala, u. a. mit Plácido Domingo und Rolando Villazón. Das Instrumentale hat auch einen Bartoli-Bezug: Im Graben musizieren die von ihr gegründeten Musiciens du Prince-Monaco auf historischen Instrumenten, da selbige Rossinis Musik "etwas Frisches, Prickelndes verleihen".

Rossini war übrigens kürzer musikalisch aktiv als die Bartoli; mit 37 Jahren beendete er die Laufbahn als Opernkomponist. "Er wusste, dass eine neue Zeit angebrochen war, und hatte keine Lust, sich dem Geschmack seiner Zeitgenossen anzupassen", so Bartoli. Untätig blieb er nicht. Die zweite Lebenshälfte verbrachte er als Hobbykoch, seine Soiréen in Paris waren legendär.

"Es heißt, Rossini hätte in seinem Leben nur zwei Mal geweint", erzählt Cecilia Bartoli. "Das erste Mal, als er Paganini spielen hörte. Beim zweiten Mal hatte er für seine Gäste einen gefüllten Truthahn zubereitet, der durch ein Malheur in der Seine landete." Bartoli kann sich kaum halten vor Lachen. Auch das verbindet sie mit Rossini: eine gute Portion Humor, vermengt mit einer Prise Schlagfertigkeit, Charme und Schöngesang, der nun endlich die Staatsoper erreicht. (Miriam Damev, 28.6.2022)