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Cannabis wird oft in der Selbsttherapie eingesetzt.

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Der steigende Cannabiskonsum belastet die Gesundheitseinrichtungen. Bei etwa 30 Prozent der Drogentherapien gehe die Sucht auf Hanf zurück, heißt es seitens der Vereinten Nationen (der STANDARD berichtete). Siegfried Kasper, ehemaliger Leiter der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Med-Uni Wien, überrascht das nicht: "In der Psychiatrie haben wir oft mit Menschen zu tun, die Cannabis einnehmen und schizophrene Erkrankungen bekommen oder andere Erkrankungen, die dann nicht adäquat behandelt werden." Wie kommt es dazu?

Frage: Wie wirkt Cannabis im Körper, was passiert bei der Einnahme?

Antwort: Im Gehirn sind Cannabisrezeptoren. Diese können sowohl von körpereigenen als auch durch von außen zugeführte Stoffe gereizt werden und beeinflussen das Angst- und Schmerzempfinden. Siegfried Kasper erklärt das so: "Führt man es von außen zu, gibt man dem Gehirn die Nachricht: Du brauchst nichts produzieren, das gute Zeug kommt von außen." Die Produktion wird eingestellt, "der Körper rebelliert".

Frage: Wie gefährlich ist regelmäßiger Cannabiskonsum?

Antwort: Kasper warnt ganz besonders vor Konsum in Jugendjahren: "Das jugendliche Gehirn wird noch einmal neu umorganisiert. Cannabiseinwirkung behindert das, es kann zu Entwicklungsverzögerungen kommen", erklärt der Experte.

Bei Erwachsenen hingegen sei vor allem problematisch, dass durch den Konsum Krankheitsbilder in den Hintergrund rücken können: "Viele nehmen Cannabis als Selbsttherapie. Das lindert Symptome von Angsterkrankungen oder Depressionen, aber die darunterliegenden Krankheitsursachen werden nicht adäquat behandelt."

Frage: Laut UN-Bericht führen immer stärker werdendes Haschisch und Marihuana zu einem Anstieg von Sucht- und Drogentherapien. Ist das in Österreich auch so?

Antwort: Fachleute sehen bereits seit 30 Jahren, dass der THC-Gehalt in Cannabis durch Züchtung immer weiter zunimmt. Das führt zu stärkeren und anderen Rauschzuständen, als es früher der Fall war. "Cannabis würde uns als Droge an sich keine allzu großen Sorgen bereiten", erklärt Kurt Fellöcker, Experte für Suchtberatung und Prävention an der FH St. Pölten. "Wir sehen jedoch einen Anstieg des THC-Gehalts auf bis zu 18 Prozent und da wird der Rauschzustand schon bedenklicher." Außerdem gibt es synthetisch hergestellte Cannabinoide, die als solche nicht erkennbar sind und auf andere Substanzen oder auch auf Cannabis draufgesprüht werden.

Frage: Was sind die Gefahren von mehr THC in Cannabis und den chemischen Cannabinoiden?

Antwort: Neben dem verstärkten Rauschzustand kann es laut Fellöcker passieren, "dass psychische Krankheiten ausgelöst oder verstärkt werden". Noch größere Gefahren sieht er bei den chemisch hergestellten Cannabinoiden: "Sie können schwere halluzinogene und psychotische Zustände auslösen." Die Wirkung dieser Substanzen sei nicht einschätzbar: Verwirrtheitszustände können sehr lang anhalten und die Unfallgefahr stark ansteigen. Zusätzlich könne es auch zu drogeninduzierten Psychosen kommen.

Frage: Was würde den Konsum ungefährlicher machen?

Antwort: Suchtexperte Fellöcker plädiert für eine Regelung. "Die Leute kaufen was, ohne zu wissen, was drin ist. Selbst bei weniger bedenklichen Substanzen – wie es Cannabis eigentlich ist – ist das mittlerweile ein großes Problem. Qualitätskontrollen könnten es viel kleiner halten", ist sich Fellöcker sicher.

Frage: Kann Cannabis nicht auch medizinisch eingesetzt werden?

Antwort: Ja, allerdings gibt es dazu kaum Studien. Die kindliche Epilepsie ist laut Kasper "die einzige Krankheit, bei der Cannabis gut untersucht wurde". Bei anderen psychiatrischen Krankheiten sei die Wirkung schlecht bis gar nicht erforscht: "Wenn man es als Therapie einsetzen will, braucht es Studien."

Frage: Ist CBD eine harmlose Alternative mit ähnlichen Effekten ohne Suchtgefahr?

Antwort: Nein, findet Siegfried Kasper. THC sei sehr viel schlimmer, aber auch CBD gehe auf vergleichbare Rezeptoren im Gehirn und kann Abhängigkeiten verursachen: "Zwar keine körperliche Abhängigkeit, aber eine psychische", sagt der Experte und warnt vor der "gewaltigen Werbemaschinerie" hinter CBD-Produkten. CBD wird gerne zur Angstbewältigung eingenommen, "aber auch hier gibt es keine entsprechenden Studien". (Jasmin Altrock, Magdalena Pötsch, 27.6.2022)