Der Fall des Grundsatzurteils Roe v. Wade schlägt auch international hohe Wellen. Vor allem in Kirchenkreisen sorgt die Entscheidung für Zustimmung.

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In den USA hat der Supreme Court am Freitag das landesweite Recht auf Abtreibung gekippt. Damit können die Bundesstaaten wieder selbst entscheiden, wie sie mit Schwangerschaftsabbrüchen umgehen. In einigen Bundesstaaten sind Abbrüche damit jetzt schon verboten, insgesamt wird in der Hälfte mit schweren Einschränkungen gerechnet.

Aber: Auch in Österreich gibt es kein "Recht auf Abtreibung". Im Gegenteil: Schwangerschaftsabbrüche sind grundsätzlich bis heute illegal. Sie wurden nur mit der 1975 eingeführten Fristenregelung bis zur zwölften Schwangerschaftswoche straffrei gestellt. Unter bestimmten Voraussetzungen ist eine Abtreibung auch danach noch straffrei möglich.

Frauenministerin Raab: Abtreibungsfragen gehören "in Hände der Bürgerinnen"

Forderungen, den Schwangerschaftsabbruch aus dem Strafgesetzbuch zu nehmen, sind über die Jahrzehnte immer wieder aufgekommen – aber nicht erfolgreich gewesen. Die bald 50 Jahre alte Fristenregelung ist damit bis heute gültig. Eingeführt wurde sie von der SPÖ, die damals über eine absolute Mehrheit im Nationalrat verfügte. ÖVP und FPÖ stimmten dagegen, insbesondere aus der katholisch geprägten Volkspartei gab es massive Widerstände gegen die Regelung, ebenso aus Kirchenkreisen. Aber wie stehen deren Vertreter heute zu dem Thema?

Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) übt keine Kritik an der Fristenlösung. "Das amerikanische Höchstgericht hat eine Entscheidung mit enormer gesellschaftspolitischer Tragweite getroffen – zu Lasten der Frauenrechte in den USA", schreibt sie in einer Stellungnahme. Fragen der Abtreibung gehörten "in einer Demokratie in die Hände der Bürgerinnen und Bürger bzw. der Parlamente".

Plakolm: "Rückschritt ins Zeitalter der Engelmacherinnen"

Es dürfe "im 21. Jahrhundert nicht sein, dass Frauen in illegale und oft lebensgefährliche Abtreibungen gedrängt werden", schreibt Raab. Derlei sei "klar abzulehnen". Wichtig wäre, "dass es eine Reihe von niederschwelligen Angeboten zur Aufklärung und anonymen Beratung in Österreich gibt".

Auch Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) lehnt den US-Höchstrichterspruch klar ab. "Ich halte das Urteil für einen erschreckenden Rückschritt ins Zeitalter der Engelmacherinnen. Wir haben in Österreich eine solide Gesetzbebung, die wir unter Garantie nicht einschränken werden," sagt sie.

FPÖ-Frauensprecherin Ecker: Mehr Beratung vor Abbrüchen

Auch für die frühere Frauenministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP) ist klar, dass man in der ÖVP nicht an der Fristenlösung rütteln wolle. Ebenso sieht sie flankierende Maßnahmen, insbesondere Beratung über Empfängnisverhütung für junge Frauen, als besonders wichtig an. Initiativen, den Schwangerschaftsabbruch aus dem Strafgesetzbuch zu nehmen, gibt Rauch-Kallat wenige Chancen: Keine der Parteien würde dieses Thema "ohne Not angreifen wollen". Würde das Thema aufgemacht, könnte daraus wieder eine größere Debatte folgen, an deren Ende auch Verschlechterungen für Frauen stehen könnten, meint die einstige Ministerin.

Für Rosa Ecker, Frauensprecherin der FPÖ, sind Abtreibungen "nach wie vor ein sehr sensibles Thema". Mit der bestehenden Lösung sei man bisher "ganz gut gefahren". Es sei wichtig, dass Frauen sich nicht strafbar machen, "weil es natürlich oft Gründe gibt, dass es zu dieser Entscheidung kommt". Diese solle aber sehr sorgfältig getroffen werden. Auch Ecker tritt deshalb für mehr Beratung vor einem Abbruch ein.

Kirche hofft auf Dialog

Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler, innerhalb der heimischen Bischofskonferenz zuständig für den Bereich Familie, merkt im STANDARD-Gespräch an, dass das US-Urteil eine juristische Entscheidung sei, keine ethische: "Jetzt sind die Bundesstaaten am Zug, gesetzliche Regelungen zu schaffen. Das Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes, dass aus der amerikanischen Verfassung kein Grundrecht auf Abtreibung abzuleiten ist, hat Klarheit geschaffen."

Den Applaus aus dem Vatikan will er nicht hören: "Es ist weder Anlass für Applaus noch für aggressive Gegenreaktionen. Schon gar nicht steht es uns zu, über Frauen zu urteilen, die einen Schwangerschaftsabbruch gemacht haben." Er hoffe, dass man in diesem höchst sensiblen Thema zu einer Kultur des Dialogs komme: "Ich weiß aus seelsorglichen Gesprächen, dass eine Abtreibung für die meisten ein Leben lang ein Thema bleibt – unabhängig von der religiösen Einstellung." (Martin Tschiderer, Irene Brickner, Markus Rohrhofer, 28.6.2022)