Eine Frau hält in New Orleans ein Plakat mit dem Spruch "Mein Körper, meine Entscheidung" bei einer Demonstration gegen das Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA zu Abtreibung in die Höhe.

Foto: Reuters/KATHLEEN FLYNN

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA, das Abtreibungsrecht zur Angelegenheit von Bundesstaaten zu erklären, löst nicht nur in den USA eine emotionale Debatte über Schwangerschaftsabbrüche aus. Seitens der Abtreibungsgegner wird dabei häufig ins Treffen gebracht, dass Abtreibungen der Gesundheit von Frauen schaden würden – körperlich und psychisch. Tatsächlich ist aber genau das Gegenteil der Fall, wie zahlreiche begutachtete Studien in wissenschaftlichen Zeitschriften zeigen.

Bereits im vergangenen Herbst hatten sich über 800 Wissenschafterinnen und Wissenschafter in den USA dafür eingesetzt, den Obersten Gerichtshof mit Evidenzen zu versorgen, die den Nutzen des liberalen Zugangs zu Abtreibungen für die Gesundheit von Frauen belegen. Dabei wiesen die Forschenden eine Reihe an falschen Mythen zurück, die den positiven Effekt eines freien Zugangs zu Abtreibungen in Zweifel zogen.

Bahnbrechende Studie

Eine wichtige Forschungsarbeit, die den Befürworterinnen eines liberalen Abtreibungsrechts evidenzbasierte Argumente liefert, ist die sogenannte Turnaway Study von Diane Greene Foster, die im vergangenen Jahr in Buchform bei Simon & Schuster erschienen ist. Foster, die an der University of California in San Francisco zu Reproduktionsmedizin forscht, war die Leiterin jener Studie, die rund 1.000 Frauen, die in den USA eine Abtreibung anstrebten, über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren begleitete. Einige dieser Frauen konnten die gewünschte Abtreibung tatsächlich durchführen, andere wurden von Kliniken abgewiesen – sei es aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder eines Mangels an entsprechenden Ärztinnen und Ärzten.

In mehr als 40 Publikationen, die in peerreviewten Fachjournalen erschienen sind, analysierten die Forschenden, wie sich die weiteren Lebensverläufe dieser Frauen unterschieden. Diese Untersuchungen belegten übereinstimmend den generellen Trend, wonach die Durchführung einer Abtreibung keinen Schaden für die mentale oder psychische Gesundheit der Frauen nach sich zog. Im Gegenteil hatte der verwehrte Zugang zu Abtreibung negative finanzielle und gesundheitliche Folgen für die betroffenen Frauen. "Die Wissenschaft zeigt eindeutig, dass Abtreibungen unglaublich häufig vorkommen und dass der Zugang dazu wichtig für ein erfülltes Leben von Frauen ist", lautet das Fazit von Studienleiterin Diana Greene Foster.

Sichere Abtreibungen

Ein weiterer Mythos von Abtreibungsgegnern lautet, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht sicher seien. Dass dem nicht so ist, kann ebenfalls klar durch wissenschaftliche Studien belegt werden, wie etwa ein Bericht der National Academies of Science, Engineering, and Medicine aus dem Jahr 2018 zeigt. Übereinstimmend mit der Studienlage hält dieser Bericht fest, dass beispielsweise die Sterberate bei Darmspiegelungen viermal höher ist als jene nach Abtreibungen. Zudem ist die Todesrate von Frauen bei der Geburt 14-mal höher als die von Frauen, die eine Abtreibung durchführen.

Vor dem Hintergrund des Spruchs des Obersten Gerichtshofs brachten daher zahlreiche Wissenschafterinnen und Wissenschafter ihre Enttäuschung darüber zum Ausdruck, dass die gesicherten Fakten ignoriert würden. Caitlin Myers, eine Wirtschaftswissenschafterin am Middlebury College in Vermont, die die finanziellen Auswirkungen der Abtreibungsbeschränkung untersucht, sagte zur aktuellen Entscheidung: "Es ist enttäuschend, dass solide wissenschaftliche Beweise dafür ignoriert werden, wie diese Entscheidung Frauen schaden wird." (trat, 28.6.2022)