Für die Langzeitbaustelle 24-Stunden-Betreuung gibt es viele unterschiedliche Lösungsansätze: Vielen schwebt eine Anstellung der Betreuungskräfte vor – nur so könnten auch faire Arbeitsbedingungen sichergestellt werden.

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Seit die Pflegereform im Mai 2022 präsentiert wurde, rumort es im Bereich der 24-Stunden-Betreuung. Aus nachvollziehbaren Gründen: Bisher gab sich Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) recht vage mit Blick auf jenen Bereich der Pflege, der in Österreich zwar seit 2007 legal ist – aber seit Bestehen viele arbeitsrechtliche Fragen aufwirft: Wie es etwa möglich ist, dass in Summe 60.000 Betreuerinnen, hauptsächlich aus dem EU-Ausland, 24 Stunden im Einsatz sind; dass sie überhaupt als Selbstständige durchgehen, obwohl sie an Arbeitsort, pflegebedürftige Klienten und Agenturen gebunden sind und wenig bis keine Entscheidungsmacht haben. Rauch nahm dem Herbst eines vorweg: Die unselbstständige Tätigkeit solle attraktiviert werden, am Selbstständigenmodell will er nicht rütteln. Das war's.

Unleistbare Betreuung

Eine Ungewissheit, die für deren offizielle Interessenvertretung, die Wirtschaftskammer (WKO), nicht mehr tragbar ist: Denn sowohl bei pflegebedürftigen Personen, bei deren Familien als auch bei den 24-Stunden-Betreuerinnen brenne schon jetzt der Hut. Betroffene würden sich die Pflege nicht mehr leisten können. Auch für Betreuerinnen werde es teurer, etwa durch höhere Kosten für die Anreise, warnte die dafür zuständige Wiener Fachgruppe Personenberatung und Personenbetreuung am Dienstag. Gefordert wird nun eine Erhöhung der Pflegestufen und der Förderung. Eine Anpassung sei ohnehin überfällig, hieß es.

Eines steht für die WKO nämlich fest: die Kosten für einen Pflegeplatz in einer Einrichtung sind für die öffentliche Hand weit höher – vor allem nach Abschaffung des Pflegeregresses. Es spreche also vieles für den Ausbau der Pflege daheim.

Entgegen der Kritik informeller Interessenvertretungen lobt Fachgruppenobmann Harald Janisch das derzeitige Selbstständigenmodell: Dieses funktioniere für die 24-Stunden-Betreuung "sehr gut". Es ermögliche den oft aus dem Ausland stammenden Pflegekräften, legal zu arbeiten. Jedoch habe es seither auch keine Valorisierung der Tarife gegeben, kritisierte er. Auch spiele das Modell bei der Pflegereform kaum eine Rolle, berücksichtigt würden vor allem die unselbstständigen Personen, die nur einen kleinen Anteil ausmachen, kritisiert Janisch.

Klarerweise hätten mehr Unselbstständige für die WKO auch einen Mitgliederschwund zur Folge: Derzeit bilden die in Summe 60.000 24-Stunden-Betreuerinnen die größte Gruppe in der Wirtschaftskammer. Je nach Bundesland zahlen sie jährlich eine Grundumlage von 70 bis 96 Euro.

Förderung auf 700 Euro aufstocken

Allein die Förderung, die im Bereich der 24-Stunden-Betreuung 550 Euro im Monat beträgt, sei viel zu gering, wird beklagt. Nötig sei eine Aufstockung auf mindestens 700 Euro. "Das ist die Minimalforderung", betonte der Fachgruppenchef. Wünschenswert wäre mindestens eine Verdoppelung. Auch die Pflegestufen sollten erhöht werden, verlangt die WKO. Birgit Meinhard-Schiebel, die Präsidentin der Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger, stieß ins selbe Horn. Sie verwies darauf, dass es in Österreich fast eine Million pflegende Angehörige gebe.

Immer wieder würden von den Betroffenen finanzielle Sorgen artikuliert. Oft sei es nötig, für die Begleichung der Kosten eigenes Vermögen einzusetzen, erläuterte Meinhard-Schiebel. Nötig sei eine Anhebung der Förderung und anschließend indexbasierte jährliche Anpassungen, hielt sie fest.

Honorare seit 2007 unverändert

Für die Betreuerinnen selbst habe sich die – oftmals schon prekäre – Lage verschlechtert: "Wir können uns heute nicht mehr leisten, für ein Honorar zu arbeiten, das sich seit 15 Jahren nicht verändert hat", sagte Bibiána Kudziová. Die Slowakin, die selbst seit Jahren als Betreuerin arbeitet, vertritt die Berufsgruppe der Personenbetreuerinnen in der Fachgruppe. Die Teuerungswelle treffe nun auch viele Frauen aus der Slowakei, wo die Preise etwa für Energie ebenfalls gestiegen seien, berichtete sie. Bei den Fahrtkosten werde das besonders spürbar.

Ähnlich sieht das die gewerkschaftliche Initiative Vidaflex: Sie plädiert einerseits für eine Erhöhung der Förderung auf 700 Euro, andererseits für eine Anhebung des Fahrtkostenzuschusses. "Wenn die Bundesregierung hier nicht umgehend Anpassungen im System vornimmt, bleiben den Betreuerinnen und Betreuern bald nur noch 4.000 Euro im Jahr zum Überleben", heißt es vom Generalsekretär Christoph Lipinski in einer Mitteilung. Gerade die Sozialversicherungsbeiträge seien kaum mehr zu stemmen.

Schuldenberge bei der SVS

Wie DER STANDARD am Montag berichtete, machen diese vielen Betreuerinnen seit langem zu schaffen: Mehrere Tausend Euro an Schulden haben sich durch Versäumnisse der Agenturen, die Betreuerinnen rechtzeitig abzumelden, bei vielen Betreuerinnen angehäuft. Für die informelle Interessenvertretung IG24 ein weiteres Indiz für den Systemfehler, den auch ein Zuschuss bei der Förderung nicht beheben wird können: "Da Agenturen die Werklöhne der Betreuerinnen bestimmen und Lohndumping betreiben, kann man schwer davon ausgehen, dass eine Erhöhung der Förderung bessere Werklöhne bringen wird", sagt Simona Ďurišová von der IG24. Falls dem doch so sein sollte, steigen die Sozialversicherungsbeiträge, und die Steuerpflicht greift. "Ein Nullsummenspiel für die Betreuerinnen", sagt Ďurišová, weil der Netto-Verdienst trotzdem gering bleibe.

Der Ausweg, der ihnen vorschwebt: die Einführung eines einheitlichen Mindestlohns. Dieser würde eine bessere Bezahlung gewährleisten und einen Stopp für das Lohndumping seitens der Agenturen bedeuten. (etom, 28.6.2022)