In Indonesien kam es in diesem Jahr bereits zu Überschwemmungen, in der Provinz Banten auf der Insel Java mussten Menschen evakuiert werden. Vor allem der süd- und ostasiatische Raum wird immer massiver von Fluten bedroht.
Foto: DZIKI OKTOMAULIYADI / AFP

Hitze, Trockenheit, Überflutungen: Extremwetterereignisse werden durch die Klimakrise immer öfter auftreten. Das ist in der Klimawissenschaft seit Jahren bekannt, der Weltklimarat veröffentlichte im vergangenen Jahr die aktuellste Zusammenfassung des Forschungsstands. Darin wurde deutlich, dass beispielsweise ein Starkregen, wie er nur alle zehn Jahre auftritt, schon jetzt öfter vorkommt als in den Jahrzehnten vor 1900. Je nachdem, wie stark sich die Erde künftig noch erwärmt, werden sie nicht nur mehr als 1,5- bis dreimal häufiger auftreten. Die Niederschläge fallen auch um zehn bis 30 Prozent intensiver aus.

Die Grafik aus dem vergangenen Jahr zeigt Prognosen, inwieweit starke Niederschläge an Land zunehmen. Für eine Erwärmung der Erde um zwei Grad kommt Starkregen, wie er 1850–1900 nur einmal in zehn Jahren auftrat, 1,7-mal öfter vor und ist durchschnittlich um 14 Prozent nasser, also intensiver.
Grafik: SPM.6 (Ausschnitt) in der Zusammenfassung für Entscheidungstragende, IPCC, 2021: Climate Change 2021, The Physical Science Basis (WG I)

Katastrophen wie die Überschwemmungen im deutschen Ahrtal vor rund einem Jahr oder auch – in geringerem Ausmaß – die aktuellen Hagelunwetter in Oberösterreich machen klar, wie viel Leid solche Ereignisse hervorrufen und für wie viele Menschen sie existenzbedrohend sein können. Einer neuen Forschungsarbeit zufolge leben weltweit 1,8 Milliarden Menschen mit dem Risiko, von einer Jahrhundertflut betroffen zu sein. Dazu wurden Überschwemmungen mit einer Wassertiefe von mehr als 15 Zentimetern gerechnet, die mit einer einprozentigen Chance pro Jahr auftreten. Dies betreffe Überflutungen an Küsten, Flüssen und durch Regenfälle. Die Studie wurde am Dienstag im Fachjournal "Nature Communications" veröffentlicht.

Indien und China stark betroffen

Damit würden solche Extremereignisse von besonders großem Ausmaß 23 Prozent der Weltbevölkerung betreffen. Vor allem Regionen in Süd- und Ostasien seien gefährdet. Das betrifft die Länder Indien und China stark, deren Bevölkerungen in dieser Hinsicht mehr als ein Drittel der Gefährdeten ausmacht. Dies zeigt die Analyse von Daten zu 188 Ländern, die der Ökonom Jun Rentschler von der Weltbank mit Datenwissenschafterin Melda Salhab vom University College London und Klimamodellforscher Bramka Arga Jafino von der Technischen Universität in Delft auswertete.

Die Grafik zeigt, welcher Anteil der Bevölkerung in welchen Regionen zumindest mittlerem Überschwemmungsrisiko ausgesetzt ist.
Bild: Rentschler et al. 2022, Nature Communications

Für die Studie nahm das Team nicht nur Hochwasserdaten und -modelle sowie Karten zur Bevölkerungsbesiedlung unter die Lupe. Die Forschenden verbanden die Daten mit Schätzungen aus einem "globalen Atlas der Armut" der Weltbank.

Doppelbelastung höher als angenommen

Zu den betroffenen 1,8 Milliarden Menschen zählen demnach zahlreiche arme Menschen, die noch härter getroffen werden, weil ihnen weniger Ressourcen zur Verfügung stehen, um sich etwa um eine neue Wohnstätte kümmern zu können. 780 Millionen Personen, die von Jahrhundertfluten betroffen sind, verfügen im Durchschnitt über weniger als etwa 5,20 Euro pro Tag.

"Unter den Klimagefahren sind Überschwemmungen global bei weitem das größte Risiko", schreibt Thomas McDermott von der Nationalen Universität Galway in Irland in einem begleitend erschienenen Kommentar. Jährlich verlieren zig Millionen Menschen aufgrund von Überflutungen ihr Zuhause, die Schäden verursachen Kosten von hunderten Milliarden Euro. Die Studie sei ein wichtiger Beitrag, um das Ausmaß des Überflutungsrisikos zu begreifen: "Die Belege deuten darauf hin, dass die Zahl jener Menschen, die mit einer Doppelbelastung durch Hochwasserrisiko und Armut leben, wesentlich höher ist als bisher angenommen."

Aus dieser Grafik ist ersichtlich, wie hoch der Anteil der Bevölkerung ist, der sowohl einem erheblichen Überschwemmungsrisiko ausgesetzt ist als auch in Armut lebt und weniger als 5,20 Euro (5,50 US-Dollar) pro Tag zur Verfügung hat.
Bild: Rentschler et al. 2022, Nature Communications

Hochwasserschutz und Migration

Dies verdeutliche, wie dringend in Hochwasserschutz investiert werden müsse, schreibt der Wirtschaftswissenschafter. In Kombination mit besonders anfälligen, verletzlichen Teilen der Bevölkerung ließe sich ableiten, welche Regionen mit einer höheren Priorität geschützt werden müssen. Dies werde aber nicht überall in gleichem Ausmaß möglich sein.

Um die Anpassungskosten zu senken, müssten Menschen "auch aus Gebieten übersiedelt werden, in denen die Risiken zunehmen", schreibt McDermott. Dies sei gerade für Familien mit geringem Einkommen schwierig. Ihre Mobilität und ihre Möglichkeiten, an einen anderen Ort zu migrieren, sind nicht nur finanziell begrenzt, sondern in besonders stark betroffenen Gegenden auch rechtlich und politisch oft eingeschränkt. "Die Menschen, die den Klimarisiken – in diesem Fall in Form von Überschwemmungen – am stärksten ausgesetzt sind, sind genau diejenigen, die möglicherweise am wenigsten in der Lage sind, sich anzupassen oder umzuziehen." (Julia Sica, 28.6.2022)