Christiane Druml ist Vorsitzende der Bioethikkommission.

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Wien – Keine staatlichen Förderungen und keine öffentlichen Inserate für Medien, die den Klimawandel leugnen, oder Warnhinweise für Werbungen mit klimaschädlichen Inhalten – etwa von Billigfluglinien, Anbietern von Kreuzfahrten oder der Automobilindustrie. In ihrer vergangene Woche veröffentlichten Stellungnahme unter dem Titel "Die Klimakrise als ethische Herausforderung" finden sich einige Empfehlungen der Bioethikkommission an die Bundesregierung, die nach einem medienpolitischen Paradigmenwechsel klingen: Förderung von Qualität statt Gießkannenprinzip. Zumindest sollen sie aber eines bewirken: die Klimakrise in den Fokus der Berichterstattung rücken.

Kennzeichnung klimaschädlicher Werbung

"Es geht nicht darum, alles zu verbieten oder alles zum Tabu zu erklären, sondern darum, ein größeres Bewusstsein für das Klima und die Erde zu schaffen", sagt Christiane Druml, Vorsitzende der Bioethikkommission, im Gespräch mit dem STANDARD. "Wir wollen keine Flüge verbieten, aber ein Bewusstsein dafür schaffen, dass man nicht mit einem Billigflug nach Paris fliegt, nur um dort mal schnell abendessen zu gehen." Zusätzlich zu Slogans wie "Billigflüge nach Paris" könnten auf Werbesujets also Sätze stehen wie "Überlegen Sie bei jedem Flug, ob Sie ihn wirklich brauchen oder ob Sie mit weniger klimaschädlichen Möglichkeiten Ihr Ziel erreichen können". Oder einfach nur: "Jeder Flug hat Auswirkungen auf unser Klima."

Abhängigkeit von Anzeigen reduzieren

Das sei "natürlich eine prononcierte Forderung", aber: "Wenn man an die Zigarettenwerbung denkt und wie sie sich im Laufe der Jahre verändert hat, dann wäre ein kurzer Hinweis durchaus vertretbar", argumentiert Druml. In dem aktuellen Paper zur Klimakrise empfehlen die Wissenschafterinnen und Wissenschafter den Medien, neue Finanzierungsmodelle zu implementieren und die "Abhängigkeit vom Werbemarkt der fossilen Industrie zu reduzieren". Vorsicht sei bei "indirekter Klimakrisenleugnung" geboten: "Durch Abhängigkeit der Medien von Inseraten finden sich immer wieder Anzeigen, die zu klimaschädlichem Verhalten aufrufen direkt neben Klimaberichterstattung."

Die Bioethikkommission wurde im Jahr 2001 im Bundeskanzleramt installiert. Sie soll den Kanzler auf den Gebieten der Humanmedizin und Humanbiologie aus ethischer Sicht beraten. Vertreten sind 24 Mitglieder aus den Bereichen Medizin, Molekularbiologie und Genetik, Rechtswissenschaften, Sozialwissenschaften, Philosophie, Theologie und Psychologie. Ihre Vorschläge und Empfehlungen sollen Debatten anstoßen und im besten Fall in Gesetzen münden.

Qualitätskriterien für Medienförderung

So empfiehlt die Bioethikkommission aktuell etwa "eine Neuausrichtung der Medienförderung nach bestimmten Qualitätskriterien". Eine Forderung, die Medienexpertinnen und Wissenschafter schon lange erheben. In puncto Klimakrise würde das bedeuten: "So könnte Medien, die wiederholt klimakrisenleugnende Inhalte teilen, im Rahmen der verfassungsrechtlichen Möglichkeiten die öffentliche Förderung entzogen werden", schreiben die Mitglieder der Bioethikkommission in dem 20-seitigen Papier. Aber nicht nur Förderungen, sondern auch Inserate: "In diesem Kontext sollte auch die Inseratenschaltung öffentlicher Behörden überdacht und an bestimmte Qualitätskriterien gekoppelt werden."

Was ist wissenschaftlicher Konsens, an dem sich die Berichterstattung über den Klimawandel orientieren sollte? "Der wissenschaftliche Konsens ist die Stellung, die zu einer gegebenen Zeit durch die Mehrheit der Wissenschafter eines gegebenen Bereichs vertreten wird." Im Falle des Klimawandels etwa Informationen, die sich auf der Website greenfacts.org finden, erklärt Druml. Sie ist auch Direktorin des Josephinums – Ethik in der Medizin.

Förderung, Aus- und Weiterbildung

Der Vorstoß der Bioethikkommission orientiere sich an jenem, den der Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten im Jänner 2022 veröffentlicht hatte, wonach der Kampf gegen Fake News mit gezielter Medienförderung aufgenommen werden solle. "Wenn ich über eine Pandemie schreibe, muss ich eine gewisse Ausbildung, Erkenntnisse und Erfahrung haben. Mit dem Klimawandel ist es das Gleiche, ich muss firm sein mit den Begriffen und Definitionen", sagt Druml. Um den Wissenschaftsjournalismus zu stärken, plädiert die Bioethikkommission für die Förderung von Aus- und Weiterbildungsprogrammen für Journalistinnen und Journalisten, die sich mit der Klimakrise beschäftigen.

Parallele zu Corona

Mit Zensur hätten die Empfehlungen der Bioethikkommission überhaupt nichts zu tun, betont Druml: "Ich erwarte aber, dass Journalismus so funktioniert, dass er für die Menschen auch eine Abbildung der Realität zeigt." Und die Abbildung der Realität sei nun einmal der Klimawandel. Hier zieht Druml eine Parallele zu Corona. In beiden Fällen gebe es Verharmloser und Leugnerinnen: "Es zeigt sich, wie hier falsche Meldungen, Fake News, nicht wissenschaftlich basierte Meinungen die öffentliche Diskussion prägen."

Ob das nicht Eingriffe in die Berichterstattung seien? Nein, sagt Druml und kritisiert hier Medien und ihren False-Balance-Ansatz: "Wenn ich etwa über Masken berichte und ich habe neben den dem Stand der Wissenschaft verpflichteten Wissenschaftlern auch einen Vertreter einer tendenziösen Meinung in einer Sendung, der sagt, dass Masken nicht wirken, dann kommt es für die Menschen als gleichwertig mit den anderen Aussagen rüber." Diese falsche Gleichwertigkeit gelte es zu bekämpfen.

Servus TV außerhalb des wissenschaftlichen Konsenses

Nimmt man die Corona-Berichterstattung als Maßstab und legt sie auf das Klima um: Dürfte dann etwa ein Sender wie Servus TV keine Medienförderung mehr bekommen? Druml teilt zumindest die Kritik an der Corona-Berichterstattung des Privatsenders: "Ein Segment der Bevölkerung wird mit Meinungen und einer Weltanschauung bedient, die nicht dem wissenschaftlichen Konsens entsprechen." Und: "Die Verknüpfung mit Medienförderung ist eine Anregung von uns, wie man sie umsetzt, das müssten sich die Presseinstitutionen überlegen."

Presserat solle Regeln für Medien erarbeiten

Eine gewichtige Rolle könnte der österreichische Presserat spielen, wenn es nach den Empfehlungen der Bioethikkommission geht. Der Presserat sollte die Leitlinien für die Klimaberichterstattung erarbeiten. "Solche Regeln sollten etwa beinhalten, dass der wissenschaftliche Konsens reflektiert oder bei Abweichungen entsprechend kontextualisiert werden muss", formulieren es die Wissenschafterinnen und Wissenschafter. "Wichtig wäre auch, dass diese Regeln nicht ausschließlich für die Wissenschafts- oder Klimaressorts formuliert werden, sondern auch insbesondere für die Finanz- und Wirtschaftsberichterstattung, wegen der engen Koppelung und des derzeit dominierenden, aber zu hinterfragenden Framings 'Wirtschaft vs. Klima' und für ein mögliches öffentliches Vorgehen gegen Medien, die wiederholt gegen diese Regeln verstoßen." (Oliver Mark, 29.6.2022)