In Graz wurde die wärmste Nacht der Messgeschichte verzeichnet – also zumindest seit 128 Jahren.

Foto: APA / Hans Klaus Techt

Der Klimawandel schreitet voran – und mit ihm auch die Zunahme der Tropennächte in Österreich. In der Nacht auf Dienstag sind die Temperaturen verbreitet von der Südoststeiermark bis ins Südburgenland sowie vom Seewinkel bis ins östliche Weinviertel nicht unter 20 Grad Celsius gesunken.

In Graz wurde zudem die wärmste Nacht seit Messbeginn verzeichnet, wie Nikolas Zimmermann von Ubimet dem STANDARD bestätigte. Bei der Messstation Graz-Universität wurden als Tiefsttemperatur 22,5 Grad Celsius registriert. Die Messreihen gehen hier bis ins Jahr 1894 zurück, so hoch war das Temperaturminimum in einer Nacht noch nie. Der bisherige Rekord stammte aus dem Juli 2012, vor zehn Jahren wurden 22,3 Grad Celsius gemessen.

23,4 Grad Celsius als Tiefsttemperatur in Graz-Straßgang

Noch wärmer war es in Graz-Straßgang: Dort wurde um 3 Uhr früh mit 23,4 Grad Celsius das höchste Temperaturminimum aller Grazer Stationen der Messgeschichte verzeichnet. Allerdings besteht die Station in Straßgang erst seit dem Jahr 2007. "Die Tropennächte werden häufiger und treten immer früher auf", sagt Zimmermann. "Die aktuellen Rekorde passen sehr gut ins Muster des Klimawandels."

Auch in Wien gab es eine Tropennacht – bei der Station Innere Stadt wurden als Tiefsttemperatur 21,5 Grad Celsius gemessen. Allerdings ist laut Zimmermann in der Nacht Westwind aufgefrischt, der für leichte Abkühlung gesorgt habe. Kurz vor Mitternacht wurden in Wien nämlich noch rund 28 Grad Celsius gemessen.

Die Zunahme der Tropennächte in Österreich ist deutlich ersichtlich: Laut "Klimastatusbericht 2021" gab es im Vorjahr in Graz und St. Pölten jeweils sechs Tropennächte. In Wien und Eisenstadt sank im Vorjahr in jeweils acht Nächten die Temperatur nicht unter 20 Grad Celsius ab. In diesen vier Städten bedeutete das jeweils ein Plus von sechs Tropennächten im Vergleich mit dem langjährigen Mittel von 1961 bis 1990.

Hitzefrei für Fiakerpferde bleibt ab 35 Grad Celsius

Heiß ist es aber auch untertags: Für Mittwoch werden etwa in Wien 36 Grad Celsius prognostiziert. Die schweißtreibende Hitzewelle hat auch Konsequenzen für Fiakerpferde: Erst wenn die Messstation bei der Oper die Marke von 35 Grad erreicht, bekommen Fiaker hitzefrei. Diese Schwelle wurde erstmals in diesem Jahr am Montag überschritten – aber erst gegen 16.30 Uhr. So lange konnten noch Rundfahrten gebucht werden.

Die angedachte Absenkung der Fahrverbot-Marke auf 30 Grad ist vorerst aber vom Tisch. "Eine weitere Temperaturregelung ist aufgrund der Rechtslage leider nicht möglich", hieß es aus dem Büro des zuständigen Stadtrats Jürgen Czernohorszky (SPÖ). Dem waren Gespräche zwischen Bund und Land Wien vorangegangen. Stattdessen soll eine Studie durchgeführt werden, "um die Auswirkungen der heißen Jahreszeit auf Pferde und im Speziellen auf Fiakerpferde zu untersuchen". Für Gesundheitsminister Johannes Rauch stellt sich hingegen die Frage, "ob der Einsatz von Fiakern in einer Großstadt überhaupt noch zeitgemäß ist".

Forderung nach verpflichtenden Temperaturobergrenzen

Dass die Öffentlichkeit das Wohl der Fiakerpferde bei Hitze mehr diskutiere als das Befinden eines Bauerarbeiters ein paar Meter weiter, ärgert Harald Bruckner Arbeiterkammer-Experte für Sicherheit und Gesundheit. Der Arbeiter muss hackeln, außer sein Chef entscheidet, dass er hitzefrei gibt – ein Recht darauf existiert nicht. Laut Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz kann der Arbeitgeber ab 32,5 Grad seine Leute freistellen, sie erhalten dann 60 Prozent des Lohnes. Bis Mai 2019 war das erst ab 35 Grad möglich. In jenem Jahr – es war eines mit großer Hitzewelle – nutzte jede zweite Baufirma die Option.

"Man müsste verpflichtende Temperaturobergrenzen einziehen", fordert Bruckner. Außerdem gebe es viele Möglichkeiten, das Arbeiten im Freien an heißen Tagen zu verbessern: durch zusätzliche Pausen oder Installationen für Schatten.

Auch in den – meistens nicht klimatisierten – Innenräumen fordert die Arbeiterkammer eine Temperaturgrenze und hitzefrei ab 30 Grad Raumtemperatur. Aktuell ist nur vorgeschrieben, gewisse Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer zu ergreifen, zum Beispiel vor direkter Sonneneinstrahlung.

Interessant: Eine Vorgabe für die Mindesttemperatur in Arbeitsräumen existiert sehr wohl – bei Arbeitsbeginn um die 18 Grad, bei Schwerarbeit zwölf. "Mit Kälte und dem Problem, dass wir erfrieren können, haben wir Kulturerfahrungen, Hitze und Hitzetote haben wir noch nicht am Radar. Das wäre aber längst überfällig", sagt Bruckner.

Unwetter in der Nacht auf Dienstag

Extreme Temperaturen ziehen auch Extremwetterereignisse nach sich. Die Unwetter haben etwa in der Nacht auf Dienstag vor allem im Osten Oberösterreichs teils erhebliche Schäden angerichtet. Die Gewitterfront zog von der Steiermark kommend Richtung Norden durch die Bezirke Kirchdorf, Steyr-Land, Linz-Land, Perg und Urfahr-Umgebung eine Spur der Verwüstung. Die Unwetterfront habe "die gesamte Palette an Hilfeleistungen gefordert", schildert Thomas Dreibelmeier vom Landesfeuerwehrkommando die Lage.

Golfballgroße Hagelkörner

Ein Lokalaugenschein im Mühlviertel macht die Wucht der nächtlichen Naturgewalt noch deutlicher. Die kleine Siedlung in Engerwitzdorf gleicht einem Schlachtfeld: Die Vorgärten sind mit Scherben übersät, auf den Dächern die Reste zerfetzter Photovoltaikanlagen. An den Fassaden haben die golfballgroßen Hagelkörner Löcher hinterlassen. In der Einfahrt steht ein Mann vor seinem schwarzen Audi: Die Frontscheibe ist zertrümmert, das Dach völlig verbeult. "Die Hagel-Einschläge waren so laut, unser Sohn hat nur mehr geweint", erzählt das sichtlich geschockte Sturmopfer.

In Niederneukirchen im Bezirk Linz-Land stürzte in der Unwetternacht ein Baum auf ein Auto, verletzt wurde dabei niemand.
Foto: Fotokerschi.at / Kerschbaummayr

Auf einer Fläche von rund 16.000 Hektar wurden in Oberösterreich Ackerkulturen, Äpfel und das Grünland massiv geschädigt. Nach ersten Erhebungen der Österreichischen Hageklversicherung sei dieses Mal mit einem Gesamtschaden von 6,5 Millionen Euro zu rechnen. (David Krutzler, Markus Rohrhofer, Gudrun Springer, 28.6.2022)