Mittlerweile weiß Julia B.: Die zweistöckige Dachwohnung – hier ein Symbolbild – klang zu gut, um wahr zu sein.

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Wer "Nähe Wien Mitte" eine 92 Quadratmeter große, zweistöckige und möblierte Dachterrassenwohnung um 400.000 Euro mit stylishen Fotos inseriert, erregt bei Wohnungssuchenden definitiv Aufmerksamkeit. Denn die Wohnung – inklusive Tiefgarage – wäre angesichts der aktuell meist verlangten Quadratmeterpreise ein ziemliches Schnäppchen.

Darum wurde auch Julia B. (Name geändert) auf die Wohnung, die angeblich in Wien-Landstraße liegt, aufmerksam. Angeblich, denn: Die Wohnung existiert so gar nicht. Sie wurde von Online-Betrügern mit wohl aus dem Internet zusammengeklaubten Bildern auf eine Immobilienplattform gestellt, um gutgläubige Wohnungssuchende anzulocken und sie zur Überweisung von Geld oder zumindest der Übermittlung einer Ausweiskopie zu bewegen, DER STANDARD hat erst vor wenigen Monaten berichtet.

Das ahnte Julia B. nicht, als sie auf das Inserat stieß. Sie ist seit drei Jahren auf der Suche nach einer Eigentumswohnung und hat bereits zahlreiche Wohnungen besichtigt. Nun schickte sie also ein weiteres Mal eine Anfrage aus. Als Antwort erhielt sie eine E-Mail, in der ihr auf Englisch und in holprigem Deutsch erklärt wurde, dass die Wohnungsbesitzerin mit ihrer Familie ins Ausland gezogen sei. Aus Zeitgründen haben man ein internationales Maklerbüro mit der Abwicklung beauftragt. Um den Kontakt zu dieser Agentur herzustellen, benötige man vorab eine Ausweiskopie.

Das sei ihr erst nicht weiter seltsam vorgekommen, erzählt Julia B. Immerhin hatte die vermeintliche Verkäuferin ebenfalls eine Kopie ihres Passes beigelegt. Julia B. reagierte also rasch und übermittelte einen Scan ihres Passes, um möglichst zeitnah einen Besichtigungstermin zu bekommen.

Daraufhin kam eine weitere ausführliche E-Mail, in der ihr angeboten wurde, einen "Pre-Contract" zu unterzeichnen, um die Wohnung zu reservieren und eine private Besichtigung zu arrangieren. Dieser Vertrag sei aber nicht bindend, wurde sie in der E-Mail beruhigt.

Keine Ausweiskopien verschicken

Um ein exklusives Kaufrecht zu bekommen, sollte sie außerdem schon 1,9 Prozent des Kaufpreises, das sind in diesem Fall 7.600 Euro, einzahlen, um ihr Interesse an der Wohnung zu beweisen.

Da schrillten Julia B.s Alarmglocken. Immerhin hatte sie noch kein Geld überwiesen. Allerdings könnte auch die Ausweiskopie in den falschen Händen bereits ein Problem sein: Damit können die Betrüger künftig im Namen der jungen Frau weitere Betrügereien begehen. Experten raten daher dazu, niemals leichtfertig eine Ausweiskopie zu verschicken– und wenn, dann auf der Kopie das Datum und den Grund für die Übermittlung vermerken.

Davon, Geld für eine Wohnung zu überweisen, die man noch nicht einmal gesehen hat, wird außerdem dringend abgeraten. Immer wieder fallen Wohnungssuchende auf solche Tricks hinein. Ihr Geld ist dann in der Regel weg. Anzeige sollte in diesen Fällen dennoch erstattet werden.

Julia B. hat auf die letzte E-Mail der Betrüger nicht mehr geantwortet. Sie ärgert sich auch über die Plattform Immobilienscout24, weil sie dort extra um 3,79 Euro pro Monat ein "KäuferPlus"-Abo abgeschlossen hat, um den vermeintlichen Anbieter der Wohnung überhaupt erst kontaktieren zu können und damit einen Vorteil gegenüber anderen Wohnungssuchenden zu haben. "Weil die Wohnung so attraktiv war, dachte ich, na gut, vier Euro für so ein Angebot ist auch schon egal. Das zeigt, was man bereit ist zu tun für eine halbwegs leistbare Wohnung", sagt sie.

Kein Anstieg beobachtet

Das Inserat ist mittlerweile offline. Bei Immobilienscout24 heißt es auf Nachfrage, dass man den Vorfall bedauere und laufend an Verbesserungen der Services arbeite. Die privaten Inserate würden vom Support-Team zwar überprüft und Verdachtsfälle sowie das Anbieterkonto gelöscht. Betrugsversuche könne man dennoch nicht komplett ausschließen.

Eine Häufung der Betrugsmasche bemerkt man bei der Plattform Watchlist Internet derzeit nicht. Eine solche habe es aber von Jänner bis April des heurigen Jahres gegeben. "Der Jahreszeit entsprechend sind es derzeit eher Ferienhäuser, die im Fokus der Kriminellen stehen", heißt es auf Nachfrage.

Julia B. ist mit einem blauen Auge davongekommen: Ihr Pass läuft demnächst ab, sie wird einen neuen beantragen. Aber ihre Wohnungssuche geht weiter. (Franziska Zoidl, 1.7.2022)