Stau auf der A10 Richtung Villach zu Pfingsten. Interessenvertreter aus der Wirtschaft glauben, mit E-Fuels lässt sich eine klimagerechte Alternative schaffen.

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Die Industriellenvereinigung sowie die Wirtschafts- und Landwirtschaftskammer und der ÖAMTC sprechen sich gegen ein Verbot von Pkw-Verbrennungsmotoren ab dem Jahr 2035 aus. Sie verweisen darauf, dass auch das Tanken von synthetisch erzeugten Treibstoffen (E-Fuels) eine Alternative sei. Hintergrund der gemeinsamen Erklärung ist das Treffen der Umweltminister der EU-Länder am Dienstag in Luxemburg, bei dem es um das Ende von Benzin- und Dieselmotor geht. Auch die ÖVP steigt auf die Bremse, Kritik daran kommt von den Grünen.

Die heimischen Interessenverbände sprechen sich für mehr "Technologieoffenheit" aus und rechnen in einer Aussendung vor: "Die Zuliefer- und Produktionsbetriebe für Verbrennungskraftmaschinen in Österreich beschäftigen bis zu 80.000 Personen." Die Wirtschaftsvertreter meinen, "der volkswirtschaftliche wie auch der klimapolitische Nutzen einer solchen Entwicklung darf bezweifelt werden".

Johannes Schmuckenschlager, Präsident der Landwirtschaftskammer Niederösterreich, bringt wiederum die Bauern als Treibstofflieferanten ins Spiel. "Der klimafreundliche Betrieb des Motors mit biogenen oder synthetischen Kraftstoffen ist hier eine gute Option", erklärte er. Laut Versorgungsbilanz der Statistik Austria wird in Österreich fast ein Drittel der Getreideernte energetisch oder stofflich genutzt, landet also etwa als Treibstoffbeimischung in den Tanks von Autos und Lkws.

ÖVP attackiert Gewessler, Grüne reagieren

Und auch die ÖVP hat es mit einem Verbrennerverbot nicht so eilig. Während Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) für ein Verbot ab 2035 eintritt, meinte ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner am Dienstag: "Wir brauchen technologische Lösungen und keine ideologischen Verbote. Ich hoffe, dass das auch Umweltministerin Leonore Gewessler erkennt und sich im Umweltministerrat für Technologieoffenheit starkmacht." Sachslehner verweist auf alternative Kraftstoffe und Wasserstoff und warnt vor einem "potenziellen Neuzulassungsverbot von Verbrennungsmotoren". Was nun Regierungslinie ist? Für die ÖVP gelte jedenfalls das Bekenntnis zur Technologievielfalt, hieß es dazu aus der Volkspartei zur APA.

Am Dienstagnachmittag reagierten dann die Grünen. "Zur Positionierung von Industriellenvereinigung, Wirtschafts- und Landwirtschaftskammer zur Brüsseler Verbrenner-Verbot-Entscheidung drängt sich ein Titanic-Vergleich auf. Der Eisberg ist längst in Sicht und dank unterlassener Entscheidungen kurz vor dem Bug. Dennoch versuchen rückwärtsgewandte Lobbyisten immer noch, unsere Mobilität auf Klimakollisionskurs zu halten. Dabei braucht es jetzt den endlich in Angriff genommenen Kurswechsel. Nur dann können wir einen harten Aufprall noch vermeiden", so der grüne Klimaschutzsprecher Lukas Hammer.

Alternativen wie E-Fuels seien nicht energieeffizient und würden dort benötigt, wo anders als beim Pkw die Alternativen fehlen, zum Beispiel im Flug-, Schiffs- und teilweise im Schwerlastverkehr. "Und selbstverständlich ist in Zeiten, wo die Ernährungssicherheit einen ganz anderen Stellenwert als noch vor kurzem bekommen hat, Agrosprit keine Lösung. Diese Agrarflächen werden für umwelt- und klimaverträgliche Landwirtschaft zu unserer Ernährungssicherung dringend gebraucht", so Hammer.

Uneinigkeit in Europa

Der ÖAMTC wiederum betonte, dass die Klimaziele nur mit Technologievielfalt erreichbar seien. Wir stehen voll hinter den EU-Klimazielen. Elektromobilität ist ein wesentlicher Faktor, um diese zu erreichen. Mobilität muss dabei aber auch leistbar bleiben. Daher ist es falsch, alles auf eine Karte zu setzen", so Bernhard Wiesinger, Leiter der ÖAMTC Interessenvertretung.

Er rechnet vor: "In Österreich gibt es rund 5,1 Millionen Pkws und 250.000 Neuanmeldungen pro Jahr. Selbst wenn ab sofort alle neu zugelassenen Pkws Elektroautos wären, könnte man in acht Jahren keine 2,5 Millionen Diesel- und Benzin-Autos durch E-Fahrzeuge ersetzen. Wir werden das verpflichtende CO2-Einsparungsziel von 48 Prozent für 2030 deutlich verfehlen."

Eine europäische Einigung auf das Verbrenner-Aus im Jahr 2035 ist noch offen. So schlug Italien eine Verschiebung um fünf Jahre vor und erhielt dabei Unterstützung von Bulgarien, Portugal, Rumänien und der Slowakei. Die deutsche Regierung hat bisher keine gemeinsame Position. Österreich unterstützt das Verbot ab 2035. Die Abstimmung im Umweltrat am Dienstag erfolgt nach qualifizierter Mehrheit. Staaten können einen Gesetzesentwurf blockieren, wenn sie zusammen für mehr als 35 Prozent der EU-Bevölkerung stehen. Sollte sich Deutschland enthalten, würde dies als Nein gewertet – mit Italien und den anderen vier Staaten wären dann diese 35 Prozent erreicht.

E-Fuels sehr stromintensiv

Befürworter der Verbrennermotoren argumentieren, dass Benzin- und Dieselmotoren in Zukunft durch synthetisch erzeugte Treibstoffe, sogenannte E-Fuels, klimaschonend betrieben werden könnten. Als E-Fuels werden Treibstoffe wie Benzin, Diesel oder Kerosin bezeichnet, die nicht aus fossilem Erdöl, sondern aus Strom gewonnen werden. Das E in E-Fuels steht für Elektro, Fuel wiederum ist das englische Wort für Kraftstoff. E-Fuels sind also Elektrokraftstoffe. Die Herstellung von E-Fuels ist aber sehr stromintensiv. Um einen Liter E-Fuel herzustellen, sind 16 bis 27 Kilowattstunden Strom nötig. (APA, red, 28.6.2022)