Im öffentlich-privaten Dialog: ORF-Generaldirektor Roland Weißmann sowie Puls 4-Geschäftsführer Markus Breitenecker beim Presse-Kick-Off zum diesjährigen 4Gamechangers-Festival

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Der starke Kurseinbruch bei Technologie-Aktien und die Zinswende haben den Risikoappetit von Start-up-Investoren in den vergangenen Monaten deutlich nachlassen lassen. "Diese Bewertungskorrektur ist nicht schlecht", sagte der Wiener Business Angel Johannes Hansmann am Dienstag am ersten Tag des 4Gamechangers Festival von ProSiebenSat.1Puls4 und ORF. "Das internationale Kapital ist sehr vorsichtig", so der Gründer des Wiener Frühphasenfinanzierers Speedinvest, Oliver Holle.

In den vergangenen Jahren haben Start-ups in den USA und Europa in Zeiten der Niedrigzinsphase viel Geld von Investoren erhalten. Oftmals wurden Milliarden-Rekordbewertungen erzielt. In Österreich erreichten die Krypto-Plattform Bitpanda und die Online-Nachhilfefirma GoStudent im Vorjahr als erste Start-ups den Unicorn-Status und wurden im Zuge einer Finanzierungsrunde mit mehr als einer Milliarde Euro bewertet. Wegen schlechteren Geschäftsaussichten hat Bitpanda am vergangenen Sonntag angekündigt, die Mitarbeiterzahl von mehr als 1.000 auf 730 zu senken. Holle begrüßte den Beschäftigtenabbau bei der Krypto-Plattform. Wenn man schnell wachse, dann müsse man bei einem Abschwung auch "schnell reagieren", so der Wiener Risikokapitalgeber Holle. Der von ihm initiierte Frühphasenfinanzierer Speedinvest ist auch bei Bitpanda und GoStudent investiert.

Finanzierung

Hansmann und Holle erwarten eine längere Durststrecke für Start-ups, die größere Finanzierungsrunden benötigen. Holle berichtete von einem "massiven Einbruch" bei der Wachstumsfinanzierung durch internationale Kapitalgeber. "Es wird eine große und schwere Delle geben", erwartet Hansmann. In den nächsten ein bis zwei Jahren sei "kaum mit Börsengängen" von Start-ups zu rechnen und dies habe Auswirkungen auf kleine bis große Finanzierungsrunden. "Die richtig guten Firmen werden aber auch in der Krise Geld kriegen", so der Investor, der unter anderem an den österreichischen Vorzeige-Start-ups Runtastic, Shpock und mySugr beteiligt war.

Hansmann war auch neun Jahre lang Präsident der Austrian Angel Investors Association (aaia), die heuer ihr zehnjähriges Jubiläum feiert. Für den aaia-Präsident Nikolaus Futter ist die im Jahr 2000 geplatzte Dotcom-Blase nicht vergleichbar mit der aktuellen Situation. Die damalige "völlige Überhitzung" und das Platzen der Blase könne man eher mit der aktuellen Situation am Krypto-Markt vergleichen, sagte Futter zur APA. Viele Business Angels würden sich nun darauf fokussieren, bestehende Investments durch die Krise zu steuern. Es gebe aber weiterhin viele, interessante Start-ups und Investmentmöglichkeiten. Futter appellierte an wohlhabende Österreicher verstärkt in Start-ups und nicht nur in Immobilien zu investieren. Aufgrund der aktuellen Finanzierungslage sei es für Jungfirmen nun zentral mit dem zuvor eingesammelten Kapital "länger durchkommen", so die aaia-Geschäftsführerin Laura Egg. "Cash ist king."

Ausfinanzierung

Die von Wienern Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal gegründete Onlinebank N26 mit Sitz in Berlin hatte im Herbst 2021 – bevor sich die Finanzierungssituation für Start-ups verschlechterte – bei einer neuen Finanzierungsrunde rund 900 Mio. Dollar (850 Mio. Euro) von Investoren eingesammelt und eine Firmenbewertung von 9 Mrd. Dollar erreicht. "Wir sind für die nächsten Jahre gut ausfinanziert", sagte Tayenthal beim 4Gamechangers Festival. Finanzmittel werde man erst wieder in zwei bis Jahren "gut raisen" können. Durch die schwierige Finanzierungssituation erwartet Tayenthal, dass es in der Fintech-Branche zu zahlreichen Übernahmen kommen wird. N26 erhalte so viele Angebote wie noch nie, andere Start-ups zu übernehmen.

Das heimische Energie-Start-up Hydrogrid konnte im vergangenen Dezember ebenfalls noch genug Kapital bei Investoren einsammeln. "Es geht uns gut", sagte Gründerin Janice Goodenough. Hydrogrid hat eine Steuerungssoftware für Wasserkraftwerke entwickelt. "Ziel muss immer ein profitables Unternehmen sein", so Goodenough. Die österreichische Solarunternehmerin Cornelia Daniel hat ihr Unternehmen ohne Investoren aufgebaut. "Man muss nicht das Millioneninvestment haben", betonte Daniel. Von der Politik fordert die Unternehmerin schnelle Genehmigungsverfahren für Photovoltaik-Anlagen. Es gebe "unfassbar viel Geld" für Projekte, aber "keine Genehmigungen".

Weitere Themen am 4Gamechangers Festival waren am Dienstag die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs, Finanzmärkte und Digitalisierung. Die Coronapandemie habe "die Chancen und Defizite in der Digitalisierung vor Augen geführt", sagte der für Digitalthemen zuständige Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) in einer Videobotschaft. Seit der letzten Regierungsumbildung gibt es mit Florian Tursky (ÖVP) nun einen Staatssekretär für Digitalisierung und Breitband, der im Finanzministerium angesiedelt ist. In den nächsten Jahren werde man die digitale Verwaltung und die Breitbandinfrastruktur ausbauen und die digitale Kompetenz der Bevölkerung zu erhöhen, so Brunner. (APA, 28.6.2022)