Foto: Christian Fischer

Er sei in Detroit Anwalt geworden, hieß es. Das sagte Daniel Miller, der Chef des britischen Mute-Labels, einmal in einem Interview zum Standard. Dann wieder hieß es, er sei Briefträger. Simon Bonney grinst, wenn er das hört. Er kennt die Gerüchte um seine Person, vielleicht genießt er sie ein wenig. Enttäuschen muss er dennoch. "Nein, ich habe nie die Post gebracht, und ich bin auch kein Anwalt geworden."

Das Rätselraten hatte einen Grund. Simon Bonney galt als eine Art Enigma. Ein Typ, der mit seiner Band Crime and the City Solution in den 1980ern auf dem Sprung zum Star war. Und dann war er plötzlich weg. Wie verschollen. Viel später, vor zehn Jahren, erschien plötzlich ein prominent besetztes Comeback-Album, bald war er wieder weg. Letzte Woche gastierte Crime and the City Solution im Wiener Volkstheater, tags darauf traf man sich zum Kaffee.

Der heute 61-Jährige ist ein Zeitgenosse von Nick Cave. Wie dieser verschrieb er sich in den 1980ern einem vom Punk infizierten Blues-Entwurf. Wie Cave ging er nach London und Berlin und erfreute sich einer wachsenden Fangemeinde. Es gab sogar personelle Überschneidungen zwischen Caves Band, den Bad Seeds, und jener von Bonney: Mick Harvey, der Tausendsassa der bösen Samen, war Gründungsmitglied von Crime, Rowland S. Howard war ihr Gitarrist, zuvor spielte diese dürre Vogelscheuche für die Birthday Party seine Schneidbrennergitarre, Cave war dort schon der Sänger.

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Wie Cave trug Bonney eine Storchennestfrisur, das Tuch in Schwarz, und gestikulierte ausdrucksstark. Schwere Zeichen, der US-Süden, die Mythen dort – das entlud sich in einer Handvoll toller Alben. Doch während Cave ein Weltstar wurde, bog Bonney ab. Er ging nach Wien, um trocken zu werden. – Das gibt’s. "Es war notwendig geworden. Ich wollte nicht mein Leben in diesem Zustand verbringen, das war mir klar."

Der Himmel über Berlin

Zuvor hatte die Band einen prominenten Auftritt in Wim Wenders’ Film Der Himmel über Berlin. Die Arbeit mit Wenders und Chrislo Haas von der Band DAF sowie seine Freundschaft mit Alexander Hacke von den Einstürzenden Neubauten beschreibt er als befreiende Erfahrung. Und erzählt, dass die Mitglieder von Crime gar nie wirklich eng befreundet waren. Eine Zweckehe.

1990 erschien das letzte Crime-Studioalbum für lange Zeit. Bonney wurde Solokünstler und ging nach Amerika. Zwei Alben veröffentlichte er, dann wurde es still, Crime so etwas wie eine Kultband. Sein Blick bei diesem Wort sagt, dass er sich mit der Zuschreibung arrangiert hat. Was hat er dann getan?

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"Wer mich stark beeinflusst hat, war Hunter S. Thompson. Nicht unbedingt seine Drogeneskapaden. Aber der Zugang, sich Dingen intensiv auszusetzen. Ich hatte immer Interessen neben der Musik. Und nach einigen Jahren wusste ich, wie es ist, als Rocksänger zu touren. Es ist ein isoliertes Leben. Man lernt nicht viele Leute kennen, wenn man den ganzen Tag im Bus von einer Stadt zur nächsten fährt. Schon gar nicht mit einem kleinen Kind und einer schwangeren Frau."

Wider die Korruption

Bonney, seine Frau Bronwyn und die zwei Kids lebten in Los Angeles. Er arbeitete als Fahrer im Filmgeschäft, später ging die Familie nach Australien zurück. "Ich habe für die Regierung gearbeitet, Antikorruptionsbehörde." Er grinst: "Sie haben keine Ahnung, wie viele dieser Typen Wurzeln im Punkrock hatten."

Crime And The City Solution

Was die eigenen betrifft, räumt Bonney mit weiteren Mythen auf: "Blues? Ich kenne mich im Blues kaum aus." Auch die Südstaaten-Storys verbucht er nicht für sich, das sei Rowland S. Howards Einfluss gewesen, er könne mit dem Gothic-Zeug nicht viel anfangen. Wichtiger für ihn sei Country-Music. Sein Soloalbum Everyman (1994) legt davon Zeugnis ab, wenngleich er einschränkt, dass kein Country-Musiker dieses Album Country nennen würde.

Das neue Album wird heavy

Seine Musik sei immer textlastig gewesen, von Erzählungen inspiriert, doch näher an den Doors als an schwarzen Sängern. Morrison oder eben Willie Nelson, Waylon Jennings – weil ihn gute Geschichten interessieren. Das hat er mit Mark Lanegan gemein.

Der im Februar verstorbene US-Sänger war ein Freund. "Mark war enorm großzügig. Wir tourten gemeinsam, und er lud uns in seinen Tourbus ein, was sehr ungewöhnlich ist, weil mehr Leute den Komfort nicht gerade erhöhen. Aber so war er. Wir durften bei ihm wohnen, haben zusammen aufgenommen. Er hat seine Liebe für unsere Musik stets betont. Das ist sehr ungewöhnlich, die meisten Musiker sind auf sich selbst konzentriert."

Das ist er nun auch wieder. Zurzeit nimmt die Band ein neues Album auf, das nächsten Mai erscheinen soll. Wieder auf Mute Records. Heavy soll es werden. Ob er dann wiederkehrt und auf Tour geht oder wieder für zehn Jahre verschwindet? Bonney grinst nur. Die Antwort wird das Leben geben. (Karl Fluch, 29.6.2022)