Überschreitungen der gesetzlichen Obergrenze für Wahlkämpfe – so geschehen im Wahlkampf 2017 – sollen künftig höhere Strafen nach sich ziehen.

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Es hat viel Zeit gebraucht, bis sich die Koalition im Februar dieses Jahres auf eine Reform des Parteiengesetzes geeinigt hat. Dem waren lange, heikle Verhandlungen zwischen der ÖVP und den Grünen vorangegangen. Nicht ohne Grund: Der Rechnungshof soll künftig massiv in seinen Kompetenzen gestärkt werden. So soll er Einsicht in die Parteikassen erhalten, anstatt – wie bisher – nominierte Wirtschaftsprüfer einzusetzen, wenn er den Angaben der Fraktionen nicht glaubt.

Auch sollen die Rechenschaftsberichte, also die Nachweise der Parteien zu ihren Finanzen, aussagekräftiger werden. Etwa sollen das Vermögen, Schulden, Einnahmen und Ausgaben genau aufgelistet werden. Zudem sollen teurere Inserate künftig ausgewiesen, Spenden transparenter kommuniziert und die Strafen bei Verstößen erhöht werden.

Geht es nach der Regierung, so werden diese Pläne noch im Juli beschlossen. Doch dem könnte die Opposition einen Strich durch die Rechnung machen. Die Einigung der Koalition ist nämlich nur die halbe Miete: Einige der Änderungen haben Verfassungsrang. Daher braucht die Regierung für die Umsetzung eine Zweidrittelmehrheit im Parlament, sprich: die Stimmen von SPÖ oder FPÖ. Angestrebt wird auch die Unterstützung der Neos. Mit allen drei Parteien verhandeln die Koalitionsparteien seit Wochen. Vergangene Woche übermittelten ÖVP und Grüne der Opposition einen aktualisierten Gesetzesentwurf – doch auch mit diesem sind vor allem die SPÖ und die FPÖ alles andere als zufrieden.

Zweidrittelmehrheit für RH-Präsidenten

Besonders spießt es sich an den neuen Kompetenzen für den Rechnungshof (RH): Er soll ja künftig bei begründetem Verdacht direkt in den Parteikassen Einschau halten dürfen. SPÖ und FPÖ wollen deshalb, dass auch die demokratische Legitimation der Person an der Spitze des RH erhöht werden soll: Die Präsidentin oder der Präsident der Institution soll aus Sicht der Oppositionsparteien mit Zweidrittelmehrheit statt mit einfacher Mehrheit gewählt werden.

Die Grünen stehen dem Vorschlag auf Anfrage "offen gegenüber", allerdings müsse geklärt werden, wie eine permanente Blockade des RH durch ein Drittel der Abgeordneten verhindert werden kann. Der Kompromissvorschlag der Regierung: Wenn nach dem dritten Versuch keine Zweidrittelmehrheit für eine Kandidatin oder einen Kandidaten zustande kommt, reicht auch eine einfache Mehrheit.

Jörg Leichtfried hält das für eine "Fake-Zweidrittelmehrheit", wie der stellvertretende Klubchef der SPÖ dem STANDARD sagt: "Eine 'geduldige' Regierung, die überlegt handelt, kann das sehr einfach umschiffen."

Wirtschaftsbund und Co

Was Leichtfried ebenfalls stört, sind die aus seiner Sicht mangelnden Reaktionen auf zumindest vorgeworfene ÖVP-Skandale der letzten Monate – von der Wirtschaftsbund- über die Seniorenbund-Affäre bis hin zur Inseratencausa und gesprengten Wahlkampfkostengrenzen. "Das Verblüffende ist, dass all das mit diesem Entwurf sogar erleichtert werden soll", findet Leichtfried. Beispiel Inserate in Parteimedien: Da sollen im Rechenschaftsbericht künftig nur die Erträge, nicht die Einkommen angeführt werden – also das eingenommene Geld abzüglich der Kosten, sagt die SPÖ. Und auch das gilt nur für offizielle Parteimedien.

Die Grünen erklären dazu, dass Ertrag nicht Gewinn bedeute – sondern Einnahmen, das sei "das buchhalterisch richtige Wort und verpflichtet zudem zur Rechnungsabgrenzung", so die Grünen.

Darüber hinaus gelte nun eine Bagatellgrenze von 2.500 Euro, "was mit einiger Fantasie den nächsten Inseratenpreis erklärt", glaubt Leichtfried. Auch dem widersprechen die Grünen: Aktuell liegt die Bagatellgrenze bei 3.500 Euro, bis der Name der Person zu nennen ist, die das Inserat geschaltet hat. Auch seien alle Einnahmen aus Inseratengeschäften in voller Höhe auszuweisen.

Parteispenden umgehen

Bei öffentlichen Geldern für Parteienorganisationen sieht Leichtfried überhaupt einen unlauteren Legalisierungsversuch: Förderungen für Parteien würden mit dem aktuellen Entwurf grundsätzlich für rechtens erklärt, wenn sie "zweckgebunden" sind. Corona-Hilfen für Parteiorganisationen würden damit erlaubt. Die Grünen widersprechen: Demnach seien "zweckgebundene" Förderungen stark eingeschränkt, etwa auf allgemeine Hilfen, zum Beispiel "zur Förderung älterer Arbeitnehmer:innen".

FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz sieht die Gefahr, dass die Spendenobergrenze von 7.500 Euro ausgehebelt werden könne, indem Gelder einfach an nahestehende Vereine transferiert werden. Schließlich hätte der Rechnungshof direkte Einsicht in die Finanzen der Partei, nicht aber in die der vielen Nebenorganisationen.

Regelung zu illegaler Finanzierung

Die SPÖ vermisst in diesem Zusammenhang eine Regelung, die mögliche illegale Finanzierungen verhindert, wie der Vorwurf bei der Causa rund um die Bauernbundzeitung lautet. Die Grünen kritisieren, dass die Opposition hier keinen alternativen Vorschlag geliefert hätte.

Auch bei der Neuregelung der Wahlkampfkostenobergrenze vermutet Leichtfried Schlupflöcher: Künftig sollen Wahlkampfkosten gesetzlich als solche definiert werden, wenn sie einerseits spezifisch für den Wahlkampf ausgegeben werden und andererseits über die üblichen Kosten der Partei in einem Nichtwahljahr hinausgehen.

"Da kann natürlich eine findige Partei zu folgender Idee kommen: Wir erhöhen vor der Wahl unauffällig unsere laufenden Kosten – und schon kann man im Wahlkampf mehr ausgeben", sagt der stellvertretende SPÖ-Klubchef. Die Grünen sagen dazu, dass "durch frühere Bestellung oder spätere Zahlung nichts mehr verschoben werden kann", so stehe das auch im Gesetzestext.

Neos "optimistisch"

Nikolaus Scherak, stellvertretender Bundesvorsitzender der Neos, zeigte sich im Gespräch hingegen "optimistisch": Demnach seien zwar einige Punkte zu klären, etwa, dass Vorfeldorganisationen oder Vereine, die eine Parteinähe aufweisen, ebenso miteinbezogen werden. Auch fordern die Neos schärfere Sanktionen bei Überschreitungen der Wahlkampfobergrenzen. Insgesamt würden die Pläne die bisherige Situation aber verbessern. (Muzayen Al-Youssef, Sebastian Fellner, 30.6.2022)