Olivia Ronen kämpft gegen eine "symbolische" Bestrafung ihres Mandanten. Am Mittwoch wird das Urteil erwartet.

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Olivia Ronen macht sich derzeit wenig Freunde: Die 32-jährige, bisher weitgehend unbekannte Anwältin verteidigt den Hauptangeklagten im Pariser Bataclan-Prozess, Salah Abdeslam. Gleich jung wie ihr Klient, scheute sie auch nicht vor einem offensiven, bisweilen sarkastischen Ton zurück.

Ihre Argumentation ist unerbittlich. Den ehemaligen Staatspräsidenten François Hollande, der in dem Prozess als Augenzeuge aussagte, trieb sie so lange in die Enge, bis er sich in Widersprüche verhedderte und einräumte, worauf es Ronen ankam: dass das Bataclan-Massaker vom 13. November 2015 zumindest zeitlich betrachtet eine Reaktion auf den Syrienkrieg sein konnte. Als Ronen die Bataclan-Toten auch noch "kollaterale Opfer" des asymmetrischen Syrienkrieges nannte, erntete sie wütende Protestrufe von den Zuschauerbänken.

Die jüngste von vier Töchtern eines jüdischen Unternehmers musste sich nun selber verteidigen. "Wollen die Leute, dass ich schweigsam bin und honigsüß rede? Dass ich als Frau keinen entschlossenen Ton haben kann?"

Gutes Zeichen für die Demokratie

Ronen bestritt stets, dass Abdeslam der "letzte Überlebende des Terrorkommandos" sei, wie es in Paris gerne heißt. Der von seinem radikalisierten Bruder Manipulierte habe das Killertrio vor das Bataclan gefahren, aber selbst nicht geschossen und auch seinen Sprengstoffgürtel nicht gezündet.

Dass Abdeslam die Pose des selbsternannten "islamischen Kämpfers" im Verlauf des Prozesses aufgab und die Opferseite zum Schluss unter Tränen um Verzeihung bat, gilt als Ronens Werk. Anders als ihr Vorgänger, der Abdeslam als strohdumm bezeichnete und sein Mandat niederlegte, stellte Ronen mit dem Angeklagten einen persönlichen Kontakt her, als sie den Fall 2018 auf seine briefliche Bitte aus dem Gefängnis hin übernahm. Sie soll ihm im Fernsehen aufgefallen sein.

In ihrem sehr engagierten Schlussplädoyer befand sie, dass Abdeslam wie alle Bürger Anspruch habe, nur dafür verurteilt zu werden, was er getan hat. Der Staatsanwalt wolle dagegen eine "symbolische" Bestrafung, lebenslänglich ohne Möglichkeit der frühzeitigen Entlassung. Bis zum Tod hinter Gittern zu bleiben sei eine "grausame Strafe" für jemanden, der niemanden getötet habe, so Ronen. Auch Anwälte der Klägerseite zogen danach den Hut vor ihr. Ein Bataclan-Überlebender fügte an, es sei ein gutes Zeichen für die Demokratie, dass die Terroristen brillante Anwälte hätten. (Stefan Brändle, 28.6.2022)