Einsatzkräfte in der Gemeinde Treffen.

Foto: APA/GERT EGGENBERGER

Schwere Unwetter haben in der Nacht auf Mittwoch Treffen verwüstet.

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In der Nacht auf Mittwoch sind über Kärnten, vor allem über den Mittelkärntner Raum mit Feldkirchen und den Bezirken Villach und Villach-Land, starke Unwetter gezogen, die zu mehreren Murenabgängen geführt haben. In Treffen ist ein 82 Jahre alter Pensionist ums Leben gekommen, wie am frühen Nachmittag bekannt wurde. Eine weitere Person galt am Nachmittag als vermisst. Die Unwetterzentrale geht von weiteren Gewittern mit Starkregen und Hagel in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag aus. Rund um Klagenfurt wurde die höchste Unwetterwarnstufe ausgerufen. Der Zivilschutzalarm bleibt bis Donnerstag aufrecht.

Neben der Gemeinde am Ossiacher See war am Mittwoch die Lage auch in Arriach im Bezirk Villach-Land besonders prekär. Der Pöllinger und der Treffner Bach traten über die Ufer. Teile der Ortschaft stehen meterhoch unter Wasser. 7.500 Haushalte rund um Villach und im Gegendtal waren Mittwochfrüh ohne Strom. Die Menschen in den Orten wurden zunächst aufgefordert, die Häuser nicht zu verlassen – im Freien herrsche Lebensgefahr. Selbiges gilt für Tamsweg im Salzburger Lungau, wo am Vormittag Zivilschutzalarm ausgelöst wurde.

DER STANDARD | APA/mhr

Straßen weggerissen

Polizeisprecherin Waltraud Dullnigg bestätigte auf APA-Anfrage einen Bericht des ORF Kärnten über den Todesfall des 82-Jährigen. Die Bergung sei noch im Gange. Der für den Katastrophenschutz zuständige Landesrat Daniel Fellner (SPÖ) sagte, er dürfte das Haus in Treffen verlassen haben und von einer Mure erfasst worden sein.

Von einem zweiten Vermissten war zu Mittag weiter nichts bekannt. Wie Bezirkshauptmann Bernd Riepan bestätigte, gebe es Meldungen über eine Person, deren Auto steckengeblieben war und die von den Fluten mitgerissen worden sein soll. In Treffen am Ossiacher See und in der Gemeinde Arriach waren Straßen unpassierbar oder teilweise weggerissen.

"Mehrere Bäche sind über die Ufer getreten. Der Großraum Treffen ist komplett überflutet und vermurt", sagte Hans-Jörg Rossbacher von der Landesalarm- und Warnzentrale (LAWZ) Mittwochfrüh. Ein Einsatzstab wurde einberufen. Erstes Ziel der rund 30 Feuerwehren war vorerst, Häuser zu erreichen, in denen noch Personen eingeschlossen sind. Wie viele Gebäude genau betroffen sind, könne man vorerst nicht sagen.

Schwieriger Einsatz

Die Einsätze gestalten sich schwierig: Laut Riepan versuche man "mit dem Hubschrauber einen Überblick über die Lage zu bekommen, um schnellstmöglich allfällige Menschenrettungen vornehmen zu können", sagte er im Ö1-"Morgenjournal". Das Bundesheer wurde angefordert und ist mit zwei Hubschraubern und rund 100 Soldaten samt schwerem Gerät im Einsatz, sie es aus einer Aussendung des Verteidigungsministeriums heißt.

Die starken Niederschläge haben ein Bild der Zerstörung hinterlassen.
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Auch das Rote Kreuz ist seit den frühen Morgenstunden im Einsatz. Was den Einsatz enorm erschwere, seien die Vermurungen: "Ab dem Feuerwehrhaus Treffen kommt man nicht mehr weiter. Es kommt kein Fahrzeug durch, man braucht schweres Gerät", sagt Rot-Kreuz-Sprecherin Melanie Reiter. Neben der Katastrophenhilfsmannschaft ist das Rote Kreuz auch mit einem Kriseninterventionsteam im Gegendtal.

Arriach abgeschnitten, vorerst keine Vermissten

Auch die Gemeinde Arriach ist nach den schweren Unwettern weiterhin von der Außenwelt abgeschnitten. Alle Verbindungsstraßen seien weggeschwemmt, sagt Bürgermeister Gerald Ebner (FPÖ). In der Gemeinde herrscht Zivilschutzalarm, gearbeitet wird im Notbetrieb. "Wir versuchen die Lage irgendwie in den Griff zu bekommen. Aktuell warten wir auf schweres Gerät des Bundesheeres, das wir dringendst benötigen." Bisher habe er keine Berichte über Vermisste in seiner Gemeinde, sagte Ebner.

Wie lange es noch dauern wird, bis das Bundesheer nach Arriach vordringen kann, war zunächst unklar, wie Sprecher Christoph Hofmeister sagte. "Wir kämpfen uns durch." 100 Soldaten der Villacher Pioniere seien derzeit im Einsatz. "Schritt für Schritt" versuche man, die Straße ins Gegendtal freizubekommen. Schweres Gerät ist im Einsatz, Schaufler und Soldaten mit Motorsägen, um die umgestürzten, in einander verkeilten Bäume zu beseitigen.

30 Feuerwehren sind im betroffenen Gebiet im Einsatz.

Ausgelöst worden waren Muren und Überflutungen durch heftigen Regen in der Nacht. Laut Wetteraufzeichnungen fielen allein in der Zeit von 2 bis 6 Uhr 117 Liter Niederschlag pro Quadratmeter – damit regnete es innerhalb von vier Stunden so viel wie ansonsten innerhalb von mehreren Wochen. Besondere Probleme bereitete Sturm mit teilweise orkanartigen Böen. Bäume stürzten um, und ganze Dächer wurden abgedeckt. Laut Polizei wurden auch Stromkabel gekappt.

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser brach eine Brüssel-Reise ab und will noch am Mittwochabend in die betroffenen Gebiete kommen, "um den Leuten beizustehen und zu signalisieren, dass wir die Dramatik dieser Situation verstehen". Dies sagte er in einem Video-Statement auf Facebook. "Ich kann nur hoffen, dass alle möglichst unbeschadet aus der Situation herauskommen", sagte er: "Es ist aufgrund der Schwere von Schlimmem auszugehen."

Angesichts der Zerstörungen meldete sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen via Twitter zu Wort. Er appellierte an die Bevölkerung "Passen Sie auf sich & Ihre Mitmenschen auf" und dankte den Einsatzorganisationen.

Angespannte Lage auch in Salzburg

In Salzburg gilt der Zivilschutzalarm im Lungau in Tamsweg. Der Leißnitzbach – ein kleinerer Bach im Ortszentrum – führte Hochwasser und drohte über die Ufer zu treten. Die Anrainer wurden aufgefordert, in den Häusern zu bleiben, Tiefgaragen und Keller nicht zu betreten und sich von den Ufern sowie Brücken fernzuhalten. Am frühen Nachmittag entspannte sich die Situation leicht, um 17.30 Uhr wurde der Zivilschutzalarm aufgehoben.

Die Einsatzkräfte nutzten am Nachmittag eine kurze Niederschlagspause, um mit Kränen Verklausungen zu lösen und Geröll aus dem Bachbett zu baggern. Außerdem wurden entlang der Ufer Dämme mit Sandsäcken errichtet. Im unteren Marktbereich gebe es viele Brücken, die die Gefahr von Verklausungen begünstigen würden, sagte Abschnittsfeuerwehrkommandant Harald Graggaber zur APA. "Wir beobachten die Situation ganz genau."

Alleine aus Tamsweg wurden 18 Schadstellen gemeldet, vier Wohngebäude standen teilweise noch unter Wasser. Im Recyclinghof wurden Problemstoffe so umgelagert, dass sie bei einer Überflutung keine Gefahr darstellen. Der Zivilschutzalarm für die Gemeinde wurde um 17.30 Uhr aufgehoben.

Schon seit Dienstagabend haben im Lungau Gewitter und starke Regenfälle für zahlreiche, zunächst kleinere Einsätze gesorgt. Bäche traten über die Ufer, es gingen mehrere Muren auf Straßen ab und es gab Verklausungen an Bächen. Vor allem die Freiwilligen Feuerwehren Ramingstein und Tamsweg waren mit Aufräum- und Pumparbeiten beschäftigt, auch in der Gemeinde Göriach wurde ein Murenabgang gemeldet, der in einem Hüttendorf 16 Personen von der Außenwelt abschnitt. "Es besteht telefonischer Kontakt und alle sind wohlauf. Es besteht aus derzeitiger Sicht keine unmittelbare Gefahr. Mit schwerem Gerät wird hier versucht, die Zufahrt wieder freizubekommen", teilte das Land Salzburg mit.

Der Pegel des Leißnitzbaches steigt.
Foto: APA/FRANZ NEUMAYR

Unfall bei Einsatz der Feuerwehr

Während der Fahrt zu einem Einsatz ist am Mittwoch ein Feuerwehrfahrzeug der Feuerwehr Ramingstein schwer verunglückt. Ersten Informationen zufolge überschlug sich das Löschfahrzeug und stürzte über eine Böschung ab. Alle sechs Insassen wurden verletzt. "Aus dem Krankenhaus gibt es aber Entwarnung, es dürfte sich eher um leichte Verletzungen handeln", sagte Feuerwehrkommandant Graggaber. Seine Kollegen hätten hauptsächlich Rissquetschwunden oder Rippenbrüche erlitten.

Für Behinderungen sorgten die Unwetter auch im Verkehr: Aufgrund der Murenabgänge wurden die B96 zwischen der Landesgrenze zur Steiermark und Tamsweg sowie die B95 im Bereich Einöd in beide Fahrtrichtungen gesperrt. Eine Umfahrung ist nur großräumig möglich, meldete das Land. Auch die Murtalbahn stellte den Betrieb ein. Mehrere Gleise sind blockiert, der Baudienst sei nun gemeinsam mit der Feuerwehr dabei, die Strecke wieder befahrbar zu machen, hieß es. Es wurde ein Schienenersatzverkehr eingerichtet, die Sperre gilt vorerst bis 18.00 Uhr. (etom, luza, APA, 29.6.2022)