"Wir glauben aber, dass es wichtig wäre, in Österreich eine nachhaltig finanzierte Panelstudie zu haben", sagt Politikwissenschafterin Barbara Prainsack zum bevorstehenden Aus des Corona Panel Project.

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Wie die Corona-Pandemie das Leben der Menschen in Österreich in unterschiedlichsten Bereichen fundamental verändert hat – diese Frage steht im Zentrum des Austrian Corona Panel Project (ACPP). Die Erkenntnisse aus den wiederholten Umfragen sind zu einem wichtigen Gradmesser für viele Aspekte rund um die Covid-Pandemie geworden. Nun läuft das Forschungsprojekt der Universität Wien mangels Finanzierung aus. Heute, Mittwoch, findet die Abschlussveranstaltung des Projekts statt. Für Barbara Prainsack – eine der Leiterinnen des ACPP – hat Österreich durchaus fortgesetzten Bedarf an solchen Befragungen. Sie hofft weiter auf Finanzierung.

Derzeit stehen die Zeichen laut Prainsack darauf, dass die Erhebungswelle im Herbst auch die letzte im Rahmen des seit März 2020 laufenden Projekts sein wird. Man habe sich um weitere Finanzierung bemüht – bisher ohne durchschlagenden Erfolg.

"Die erste Phase ist jetzt einmal zu Ende. Wir glauben aber, dass es wichtig wäre, in Österreich eine nachhaltig finanzierte Panelstudie zu haben, die auch nicht thematisch gebunden ist", sagt die Politikwissenschafterin von der Universität Wien. Bisher kam die finanzielle Unterstützung vom Wissenschaftsfonds FWF, vom Wiener Wissenschaftsfonds WWTF und der Universität Wien, dazu kamen Mittel für Extrabefragungen oder -auswertungen zu bestimmten Schwerpunkten von einzelnen Institutionen, etwa der Arbeiterkammer Wien. Dafür sei man sehr dankbar.

Langfristige und unabhängige Finanzierung gesucht

Zukünftig bräuchte es jedoch eine längerfristige Finanzierung von unabhängigen Stellen über mehrere Jahre hinweg, die Umfragen auf hohem wissenschaftlichen Niveau zu unterschiedlichen Themen ermöglicht. Das Panel sollte an eine Uni angebunden sein, um auch von dieser Seite her Unabhängigkeit garantieren zu können.

Im Zuge des ACPP habe man aus der wissenschaftlichen Gemeinde heraus "unter extremen persönlichen Einsätzen der Beteiligten" eine erstaunliche, fachübergreifende Infrastruktur aufgebaut. Viele Akteure in der Studie mit einer repräsentativen Stichprobe von 1.500 Personen, die immer wieder zu verschiedensten Themen im Zusammenhang mit der Pandemie befragt wurden, seien junge Forscherinnen und Forscher in befristeten Verträgen, die eine Perspektive benötigen. Die Struktur und das Know-how seien da, "es wäre schön, wenn man das jetzt erhalten könnte, es nicht einfach verpuffen lässt, um es in der nächsten Krise wieder neu aufzubauen". Das gelte auch weit über das Panel hinaus für viele andere wissenschaftliche Initiativen an der Schnittstelle zwischen Forschung und Politik. Die Pandemie habe gezeigt, dass das längerfristig verstärkt gehört und man vom kurzfristigen "Zusammenstoppeln" von Lösungen und Halblösungen wegkommen sollte.

Wichtiger Impulsgeber für Pandemiemanagement

Viele wichtige Informationen zum Pandemiemanagement habe das Corona-Panel "gratis mitgeliefert". Darüber hinaus leitet Prainsack auch noch eine zehn europäische Länder umfassende Interviewstudie (Sol-Pan-Studie) zu Covid-19. "Wir haben hier immer wieder Querverbindungen geschaffen", sagt die Forscherin. Viele Aspekte seien erst durch die qualitativen Befragungen aufgetaucht und dann in das ACPP eingeflossen – so etwa der Wunsch vieler Menschen im ersten Pandemiejahr, zukünftig weniger und bewusster zu konsumieren.

In den vergangenen Jahren war das ACPP ein wichtiger Impulsgeber in der Auseinandersetzung mit der Pandemie – die Ergebnisse wurden teils gesellschaftlich breit diskutiert und fanden vielfältig Eingang in die mediale Berichterstattung. "Wir haben zu fast allen Lebensbereichen Befragungen gemacht", sagt Prainsack. Ein Highlight waren für die Forscherin beispielsweise sehr rasch verfügbare, "eine sehr klare Sprache sprechende Daten über das rapide Aufgehen der sozialen und ökonomischen Schere" gleich in den ersten Wochen der Pandemie. Vor allem die extreme Ausweitung der unbezahlten Arbeit bei Frauen war frappant.

Grundlage für evidenzbasierte Entscheidungen

Bald konnte man auch das "Absacken" der Unterstützung für die Maßnahmen der Bundesregierung ab dem Sommer 2020 anhand von Daten klar nachvollziehen und beziffern. Die dahinterliegenden Mechanismen wurden dann in der Sol-Pan-Studie deutlicher – nämlich dass die Maßnahmen nicht als effektiv, in sich konsistent und fair wahrgenommen wurden. Auch beim Thema Polarisierung rund um das Impfen und zum Wandel in der Solidarität konnte man laut Prainsack wertvolle Beiträge liefern.

Letztlich liefere man wichtige Informationen in unsicheren Zeiten, die die Grundlage für die vielbeschworene evidenzbasierte Politik bilden können. "Genau das brauchen wir", betonte Prainsack, die dafür auch eine "nachhaltige Absicherung" für junge Wissenschafterinnen und Wissenschafter fordert. Inhaltlich könnte so ein Panel etwa auch Fragen zum Ukraine-Krieg oder politische Fragestellungen, beispielsweise im Vorfeld größerer Urnengänge, beinhalten. (APA, red, 29.6.2022)