Services wie Netflix könnten mit einer Reduktion der verfügbaren Qualität auf die neue Steuer reagieren.

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Die massive Popularität von Google, Facebook und Streaming-Anbietern wie Netflix hat in den letzten Jahren zu einem massiven Anstieg des Datenverkehrs im Netz gesorgt. Die Kosten, die dafür nötige Infrastruktur zu erhalten und auszubauen, stemmen derzeit allein die jeweiligen Netzbetreiber. Diese wollen allerdings jetzt europaweit die US-Konzerne für vermittelte Daten zur Kasse bitten. Leidtragende wären am Ende allerdings die Nutzer, wie eine aktuelle Analyse bestätigt.

Leuchtendes Beispiel

Europäische Netzbetreiber nennen als Vorbild Südkorea, wo es eine ähnliche Lösung namens Sending Party Network Pays (SPNP) bereits gibt. Darauf geht die Analyse des Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK), die seit Dienstag öffentlich zugänglich ist, ein. Die europäischen Internet-Service-Provider (ISP) würden sich "derzeit insbesondere durch intensive Lobbyarbeit um einen Wechsel hin zu einem SPNP-Abrechnungsprinzip für IP-Transit auf politischem Weg" bemühen. Südkorea in diesem Zusammenhang als "leuchtendes Beispiel" zu proklamieren sei allerdings nicht angebracht.

Die Einführung dieser Weitergabe von Kosten habe vor allem dazu geführt, dass sich einzelne Content and Application Provider (CAP), also Content-Ersteller aller Art, aus Korea zurückgezogen oder die Qualität ihrer Videodienste reduziert hätten, um Netzentgelte zu sparen. Auch das Social-Media-Netzwerk Facebook habe etwa mit der Abschaltung seiner Cache-Server reagiert und damit seine Services für einen Teil der Endkunden verlangsamt.

Die Leidtragenden seien damit am Ende vor allem die Kunden, stellt die Analyse fest. "Mit Blick auf die Konsequenzen in Südkorea erscheint die aktuelle Diskussion über eine 'faire Beteiligung' von CAP in Europa fehlgeleitet und der vorgeschlagene SPNP-Ansatz als nicht zielführend, um die Herausforderungen des Netzausbaus in Europa effizient und unter Vermeidung negativer Konsequenzen für die Verbraucher zu bewältigen."

Eine weitere Möglichkeit für manche dieser US-Konzerne wäre natürlich, die Mehrkosten an die Kunden weiterzugeben, aber das könnte wiederum zu einem Rückgang der Nutzer führen. Ein Problem, mit dem Services wie Netflix schon unabhängig von dieser Diskussion zu kämpfen haben.

Der Wert der Diskussion wird laut Telekom-Lobbyverband ETNO (European Telecommunications Network Operators) auf etwa 20 Milliarden Euro geschätzt. So viel müssten Meta, Alphabet, Apple, Amazon, Microsoft und Netflix zahlen, da sie etwa 56 Prozent des gesamten weltweiten Datenverkehrs im Jahr benötigen. Mitglieder von ETNO sind ehemals staatliche oder teilstaatliche Netzbetreiber wie die Deutsche Telekom, Orange, Telefónica, Swisscom oder TIM.

Netzneutralität

Die Diskussion wurde schon mehrfach als "Kniefall vor der Telekomindustrie" bezeichnet, etwa von Datenschützer Thomas Lohninger. Die Besteuerung der Plattformbetreiber sei nur eine willkommene Möglichkeit, doppelt abzukassieren. Schließlich zahlen die Kunden ja bereits für den Internetzugang. Als einziges Argument gegen die fortschreitenden Bestrebungen der EU, diese Netzausbausteuer einzuführen, können die betroffenen Konzerne aktuell nur das Argument der Netzneutralität entgegenhalten.

Sollte es wirklich so weit kommen, dass bestimmte Services ohne die Bezahlung entsprechender Abgaben nicht mehr erreichbar sind, würde das eine Verletzung ebendieser darstellen. Die Netzneutralität soll sicherstellen, dass alle Daten im Internet gleich behandelt werden. Wie das fertige Regulatorium im Detail aussehen könnte, ist derzeit also noch unklar. (red, 29.6.2022)