"Mit diesem Schlag gegen die Muslimbruderschaft machen wir ernst im Kampf gegen radikale, extremistische Ideologien", sagte der heutige Kanzler Karl Nehammer einst als Innenminister über die Razzien der Operation Luxor.

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Vor bald zwei Jahren war Karl Nehammer, damals noch Innenminister, wahrlich in Feierlaune. Er ging fest davon aus, dass dem Verfassungsschutz und der Justiz gerade ein großer Schlag gegen den sogenannten politischen Islam gelungen sei. Nur eine Woche nach dem Attentat in Wien stürmten hunderte schwer bewaffnete Exekutivkräfte Wohnungen und Vereinsräume mutmaßlicher Muslimbrüder und Mitglieder der terroristischen Hamas. Auch wenn die Razzien lange vor dem Terroranschlag geplant waren, wirkte die martialische Inszenierung der Aktion durch Nehammer doch wie eine politische Vendetta für die vier Opfer des Wiener Attentäters.

Etliche Monate später kommt die Operation Luxor allerdings nicht vom Fleck. Die zuständige Staatsanwaltschaft Graz ermittelt nach wie vor gegen knapp 100 Beschuldigte – teils natürliche Personen, teils Verbände –, denen allesamt ein Terrorstatus anhaftet. Bis heute wurde weder jemand verhaftet noch angeklagt. Eingestellt wurden erst einige wenige Verfahren. Die Anwälte von Beschuldigten monieren, dass sich die Justiz ihr drohendes Scheitern schlicht nicht eingestehen wolle. Selbst im Verfassungsschutz sind hochrangige Beamte mit den Ermittlungen alles andere als glücklich. Auch weil es für die Operation Luxor bereits schwere Niederlagen setzte. Das liegt vor allem am Oberlandesgericht Graz.

  • Gutachter des Amtes enthoben

Erst kürzlich enthob das Gericht den Historiker Heiko Heinisch und die Politikwissenschafterin Nina Scholz als Sachverständige – wegen des Anscheins der Befangenheit. Dem gingen etliche Beschwerden von Beschuldigten voraus. Das Autorenduo verfasste das Gutachten, das eine tragende Rolle in der Anordnung für die Razzien spielte. Nach Ansicht des Gerichts äußerte sich Heinisch 2017 in einem Fernsehinterview zu wenig objektiv über einen späteren Beschuldigten. Nun sucht die Operation Luxor eine neue Gutachterin oder einen neuen Gutachter. Das könnte zumindest stellenweise einen anderen Blick auf die Causa mit sich bringen.

In den Ermittlungen bezog man sich aber auch auf die Erkenntnisse von Lorenzo Vidino. Der Extremismusforscher der George-Washington-Universität verfasste im Jahr 2017 eine viel diskutierte Studie über die Muslimbruderschaft in Österreich. Die Co-Finanzierung von 80.000 Euro kam vor allem vom Integrationsfonds, 10.000 Euro steuerte interessanterweise auch der Verfassungsschutz bei, wie DER STANDARD vom besagten Fonds auch Nachfrage erfuhr.

  • Terrorstatus infrage gestellt

Der Enthebung der Gutachter gingen schon einige andere Rückschläge für die Operation Luxor voraus. Schon im vergangenen August erklärte das Oberlandesgericht Graz einige Razzien für rechtswidrig. "Die Verdachtsannahmen dürfen sich nicht in Mutmaßungen und Spekulationen erschöpfen", lautete damals das scharfe Urteil des Gerichts. Nach Beschwerden der Beschuldigten wurden auch etliche Beschlagnahmungen von Liegenschaften aufgehoben, in ein paar Fällen wurde auch die Telefonüberwachung als rechtswidrig aufgehoben – die Aufzeichnungen mussten vernichtet werden.

Das Oberlandesgericht stellte auch eine zentrale These der Operation infrage. Die Staatsanwaltschaft verdächtigt die Beschuldigten allesamt, Terroristen zu sein. In einem Beschluss befand das Gericht aber aufgrund der "Vielfältigkeit der Strömungen innerhalb der Muslimbruderschaft" eine solche Verallgemeinerung für unzulässig. Als Terrororganisation gilt die Muslimbruderschaft weder in der Europäischen Union noch in Österreich. Hierzulande sind nur ihre Symbole verboten. Auch in Sachen Terrorfinanzierung scheint der Erfolg der Ermittler noch auszustehen.

  • Kostspielige Überwachungen

Zwar steht die Operation Luxor in keinem konkreten Zusammenhang zu dem Terroranschlag vom 2. November, aber sie könnte indirekt eine verheerende Rolle gespielt haben. In die Ermittlungen flossen eine Menge Ressourcen, die bei der Überwachung des späteren Attentäters K. F. gefehlt haben könnten. Im Vorfeld der Razzien wurden unter anderem monatelang die Telefone der Beschuldigten großflächig überwacht und abgehört, während der amtsbekannte K. F. in Wien unbehelligt an ein illegales Sturmgewehr gelangen konnte. Allein diese Abhöraktionen kosteten dem Steuerzahler bisher mehr als eine halbe Million Euro, wie DER STANDARD berichtete. Wegen der Luxor-Ermittlungen wurde auch eine geplante Gefährderansprache des Jihadisten K. F. verschoben.

  • Ermittlungen gegen Verfassungsschützer

Die Ermittlungen rund um angebliche Muslimbrüder in Österreich sind selbst innerhalb des Verfassungsschutzes nicht unumstritten. Dessen Beamte zeigten deshalb sogar ehemalige Vorgesetzte an. Aus ihrer Sicht könnte der verstärkte Fokus auf die islamistische Massenbewegung politisch motiviert gewesen sein. Das berichtete die Presse vor circa einem Jahr. Das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung nahm damals Ermittlungen in der Sache auf – die nach wie vor laufen. "Ein engerer Zeitraum für den Abschluss dieser Ermittlungen kann derzeit noch nicht genannt werden", erklärt ein Sprecher des Innenministeriums.

  • Nach Zufallsfund in Ägypten verhaftet

Etwas anders gelagert, aber dennoch bemerkenswert ist der Fall von T. Dieser war Imam in einer Grazer Moschee, die zwar im Fokus der Ermittlungen stand, dennoch war der Mann ein Zufallsfund. Erst an Ort und Stelle wurde er zum Beschuldigten, als Beamte ein Datenkabel entdeckten, das aus dem Gebetshaus in die Wohnung des Imams im Nebenhaus führte. Mittlerweile sitzt T. seit einem Jahr in einem ägyptischen Gefängnis. Damals wollte T. seine Familie in Kairo besuchen, sollte sie aber nie antreffen – er wurde verhaftet.

Zuvor ließ das österreichische Bundeskriminalamt den Imam durch die ägyptischen Behörden überprüfen. In Ägypten wurde T. als Mitglied der Muslimbruderschaft ausgewiesen, die dort als Terrororganisation eingestuft ist. Die zuständige Staatsanwaltschaft Graz schloss gegenüber STANDARD und Presse bisher vehement aus, dass die Verhaftung des Imams mit den Luxor-Ermittlungen in Verbindung stehen könnte. Davor sei T. nach eigenen Angaben aber ohne Probleme gereist. (Jan Michael Marchart, 2.7.2022)