Karl-Heinz Grasser ist derzeit ein gefragter Mann im Landesgericht für Strafsachen Wien – sowohl als Angeklagter als auch als Zeuge.

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Wien – Gleich doppelt beschäftigte der ehemalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ, parteilos) am Mittwoch das Straflandesgericht Wien. Im Verhandlungssaal 203 wurde das gegen ihn laufende Finanzstrafverfahren fortgesetzt, ein Stockwerk höher war er als Zeuge gefragt. Und zwar im Untreueprozess gegen einen 74-jährigen ehemaligen Unternehmer und dessen Geschäftsführer, die laut Anklage der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ohne Gegenleistung knapp acht Millionen Euro vom Eurofighter-Hersteller EADS kassiert haben sollen.

Wie bei (Ex-)Politikern nicht ganz unüblich, war Grassers Aussage in Bezug auf den Verhandlungsgegenstand semantisch nicht recht ergiebig. "Haben Sie Gelder im Zusammenhang mit der Beschaffung der Eurofighter erhalten?", fragt Christian Böhm, Vorsitzender des Schöffengerichts, ganz direkt. "Nein", lautet die Antwort. "Haben Sie Kenntnis davon, dass Jörg Haider Gelder erhalten hat?" – "Nein."

"Wankelmütiger" Landeshauptmann Haider

Der frühere Kärntner Landeshauptmann Haider (FPÖ, BZÖ), sei in Bezug auf die Typenauswahl der Abfangjäger "wankelmütig" gewesen, erinnert sich Grasser noch. Keine Erinnerung hat er dagegen an ein mögliches Treffen mit einem der Angeklagten, das in einem Kalender als Meeting mit "Doktor Lasser" vermerkt war. "Ich kann mich an kein Treffen erinnern, aber mir ist klar, dass die Konnotation passt", gibt Grasser zu.

Wirklich Relevantes kann er also nicht liefern, sodass in den Schlussplädoyers die Argumente der ersten beiden Verhandlungstage wiederholt werden. Die Staatsanwältin sieht EADS geschädigt, da am 13. Juni 2003 mit der englischen Briefkastenfirma City Chambers, die in Wahrheit dem Erstangeklagten gehörte, ein Lobbyingvertrag abgeschlossen wurde. Zwei Wochen später, am 1. Juli 2003, fiel bereits die Typenentscheidung für den Eurofighter – viel Zeit zum Lobbying könne also nicht geblieben sein. Dennoch zahlte EADS bis 2009 jedes Mal, wenn ein Jet geliefert wurde, das vereinbarte Honorar – insgesamt 7,99 Millionen Euro. Im Hintergrund steht der Verdacht, dass es sich bei der Summer zumindest teilweise um Schmiergeld gehandelt hat.

Unterschiedliche Ansichten zum Thema Leistung

Stimmt nicht, wiederholen die beiden Verteidiger. Es habe erstens sehr wohl Leistungen gegeben, und zweitens sei die Angelegenheit längst verjährt, argumentiert Anwalt Johann Pauer. Heinz Wolfbauer, Rechtsvertreter des zweitangeklagten Geschäftsführers, meint, sein Mandant sei lediglich die rechte Hand des Erstangeklagten gewesen, mit City Chambers habe er nichts zu tun gehabt, er wusste nicht einmal, wer hinter der Firma stehe.

Das Gericht folgt dieser Linie und spricht die Angeklagten nach 20 Minuten Beratung nicht rechtskräftig frei. Einerseits aus inhaltlichen Gründen, denn das Delikt der Untreue sei rechtlich nicht erfüllt worden, begründet Vorsitzender Böhm die Entscheidung. Aber auch aus formalen: Aus Sicht des Gerichts hätte eine etwaige Untreue bereits mit der Typenentscheidung, also am 1. Juli 2003, begonnen, ab da habe die zehnjährige Verjährungsfrist zu laufen begonnen. Da in diesen zehn Jahren von der Staatsanwaltschaft keine Ermittlungsschritte gesetzt worden seien, sei das Delikt, selbst wenn es eines gegeben hätte, somit verjährt. (Michael Möseneder, 29.6.2022)