Ajla (in Rückenansicht), ihre Freundin Magali (links) und SOS-Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak (rechts) hoffen, dass es vielleicht doch noch eine Lösung gibt.

foto: SOS Mitmensch

Wien – Keine Lösung zeichnet sich für die 19-jährige Ajla ab, die nach sechsjährigem Aufenthalt ein Jahr vor ihrer Matura Österreich verlassen muss, weil ihr Vater frühere Aufenthaltstitel für seine Familie durch eine Scheinehe mit einer Österreicherin erschlichen hat.

Wie berichtet, muss Ajla aufgrund eines Bescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) bis Ende Juni ausreisen. Die Vorzugsschülerin aus dem Gymnasium in der Anton-Krieger-Gasse in Wien, die in Österreich seit sechs Jahren zur Schule geht, wurde nach Serbien ausgewiesen.

In Gesprächen zwischen BFA, Polizei und dem Rechtsanwalt der Familie, Stefan Errath, sei nun der 4. Juli als Abreisetag festgelegt worden, sagt Alexander Pollak von der NGO SOS Mitmensch, die Ajla unterstützt. Davor werde noch ein weiteres Gespräch mit den Behörden angepeilt, in der Hoffnung auf ein vielleicht doch mögliches Entgegenkommen.

Ministerium kann Ausweisung stoppen

"Das Innenministerium kann die Ausreise jederzeit stoppen", sagt Pollak. Im Ministerium sagt man dazu nichts. Einzelfälle würden aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht kommentiert, heißt es dort.

Mit der Abfahrt nach Serbien würde Ajla die Möglichkeit verlieren, ihre Matura in realistischer Frist doch noch in Wien machen zu können. Ein Antrag auf ein Schülervisum, das zum Beispiel der 13-jährigen Georgierin Tina eine Rückkehr nach Wien und in ihre hiesige Schule eröffnet hat, ist in diesem Fall keine Option: Das BFA hat Ajlas Ausweisung ein dreijähriges Wiedereinreiseverbot in den Schengenraum beigefügt, was einen solchen Antrag verunmöglicht.

Ajla als Gefahr für die öffentliche Ordnung

Begründet wird das Verbot mit einer von Ajla ausgehenden Gefahr für die öffentliche Ordnung in Österreich. Die junge Frau sei mittellos, sodass "die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft" bestehe, wird als Begründung angeführt.

Ajla und ihre Unterstützer weisen klar zurück, dass die junge Frau in Österreich stehlen oder betrügen oder der öffentlichen Hand auf der Tasche liegen würde. In Wien könne sie bei ihrem Onkel wohnen, der auch bereit sei, eine Bürgschaft für sie zu übernehmen, sagt Ajla. Da sie in dem gesamten aufenthaltsrechtlichen Verfahren jedoch nie selbst befragt, sondern als Tochter ihres Vaters mitabgeurteilt worden sei, habe sie das bis dato nicht vorbringen können. Ihr Anwalt will rechtlich gegen das Einreiseverbot vorgehen.

Für die Zeit nach ihrer Ausreise hat sich Ajla einen klaren Plan zurechtgelegt. Da sie nun ohne Maturaabschluss nach Serbien zurückmüsse, werde sie sich um eine Aufnahmeprüfung an einer serbischen Universität bemühen. Ein Jahr Zeit gebe sie sich für eine Rückkehrmöglichkeit nach Wien, länger werde sie berufliche Pläne nicht aufschieben.

Muss Ajla Österreich verlassen, so ist das ein Verlust, sagt Irmgard Griss.
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"Wir brauchen Menschen wie Ajla im Land"

Die Ausweisung Ajlas sei eine Fehlentscheidung, die Österreich letztlich schade, kommentiert das Irmgard Griss, ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs und Leiterin der nach der Abschiebung der Georgierin Tina eingerichteten Kindeswohlkommission. Zwar sei Ajla schon volljährig, das Problem sei jedoch das gleiche wie im Fall vieler ausgewiesener Minderjähriger mit langjährigen österreichischen Schulkarrieren.

"Diese junge Frau ist bereit, in der Gesellschaft, in der sie lebt, einen Beitrag zu leisten. Österreich hat ein demografisches Problem, wir brauchen Menschen wie Ajla im Land. Muss sie Österreich verlassen, so ist das ein Verlust." (Irene Brickner, 30.6.2022)