In zwei Fällen lautete die Anklage ursprünglich auf schwere Körperverletzung mit Dauerfolgen, weil die Betroffenen bis heute an den Folgen der Eingriffe leiden sollen.

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Wien – Der unter Beschuss geratene Arzt Ralf H. ist am Mittwoch am Wiener Straflandesgericht wegen missglückter Operationen nach einem überraschenden Geständnis schuldig gesprochen worden. H. ist Facharzt für Urologie und Andrologie. Ihm wurde zur Last gelegt, Patienten nicht nach medizinischen Vorschriften behandelt und die Männer bei operativen Eingriffen "verpfuscht" zu haben.

Der 57-Jährige bestritt bisher stets die gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Er war der Überzeugung, der von der Justiz bestellte medizinische Sachverständige habe nicht die nötige fachliche Qualifikation, um die prozessgegenständlichen Eingriffe beurteilen zu können. Auf den Feststellungen des Sachverständigen beruht die Anklage im Wesentlichen. Nach einem Richterwechsel wurde die Causa nun unter dem Schöffensenatsvorsitzenden Andreas Böhm neu verhandelt. Und nun ließ H. durch seinen Anwalt Nikolaus Rast erklären, dass er sich der Fahrlässigkeit schuldig bekennen werde. Eine Aussage machen wollte der Beschuldigte nicht mehr, er schloss sich den Worten seines Verteidigers an.

Zwei Betroffene begingen Suizid

Die Staatsanwaltschaft hielt dem 57-Jährigen vor, sich gegenüber fünf Patienten, die sich zwischen 2013 und 2017 mit Erektionsproblemen an ihn gewandt hatten, unnötigerweise operiert zu haben und ihnen dabei auch noch Verbesserungen versprochen zu haben. Dazu habe er die Männer begutachtet und ein meist vorgebliches venöses Leck in der Penisvene diagnostiziert, das in Wahrheit gar nicht bestanden habe. Dennoch habe der Angeklagte die Männer einem von ihm selbst entwickelten OP-Verfahren – der sogenannten Sklerosierungstechnik – unterzogen. Dabei habe es sich laut Anklagebehörde aber um keine anerkannte Therapiemöglichkeit gehandelt, sondern um einen experimentellen Heilversuch.

Die von der Anklage umfassten gefäßchirurgischen Eingriffe waren der Strafverfolgungsbehörde zufolge weder indiziert noch entsprachen sie dem Stand der Wissenschaft. In zwei prozessgegenständlichen Fällen lautete die Anklage ursprünglich auf schwere Körperverletzung mit Dauerfolgen, weil die Betroffenen bis zum heutigen Tag an den Folgen der Eingriffe leiden sollen. Zwei weitere Männer sollen Monate und Jahre gebraucht haben, um sich von der Operation zu erholen, diese Fälle waren als schwere Körperverletzung angeklagt. Zwei Betroffene begingen im Jänner 2014 beziehungsweise im Mai 2015 Suizid.

"In der Medizin gibt es keine Garantie"

Von der Anklage umfasst war auch ein sechster Patient, der allerdings nur zum Schein die Ordination des Mediziners aufgesucht hatte. Er ist der Freund eines Betroffenen, der ihn bat, mit den gleichen Symptomen diesen Arzt aufzusuchen. Auch diesem Mann wurde ein venöses Leck diagnostiziert und die Sklerosierungsoperation vorgeschlagen. "Das war ein Agent Provocateur", wie der Privatbeteiligtenvertreter Dietmar Heck sagte. Dieses Gespräch wurde auch aufgezeichnet, um die Vorgänge zu beweisen. Zudem betonte der Anwalt, dass in seiner Kanzlei wesentlich mehr als die bekannten fünf Betroffenen vorstellig wurden. Aber diese wollten nicht in die Öffentlichkeit.

"In der Medizin gibt es keine Garantie", sagte der Anwalt von H. Man könne auch nach einer Mandeloperation versterben, meinte Rast. "Es ging ihm immer nur um das Wohl seiner Patienten." Sein Mandant habe in 30 Jahren Berufserfahrung fünf Fehler gemacht. "Auch in der Medizin können Fehler passieren", so sein Verteidiger. H. hat derzeit Berufsverbot, ein Verfahren am Landesverwaltungsgericht sei anhängig. Derzeit sei er als "selbstständiger Berater" tätig.

16.300 Euro Schadensersatz

Richter Andreas Böhm sprach in seiner Urteilsbegründung von "massiven Behandlungsfehlern" durch eine nicht anerkannte Methode. "Wir glauben, Herr H. hat sich in seiner Methode verrannt". Er habe geglaubt, die Lösung zur Behandlung der Erektilen Dysfunktion gefunden zu haben. Der bedingte Vorsatz wurde von dem Gericht im Zweifel nicht angenommen. Aber er habe das Leben der Männer massiv geschädigt, so Böhm. H. muss den Opfern insgesamt 16.300 Euro Schadenersatz bezahlen.

H. wurde zudem schwerer Betrug vorgeworfen, da die Staatsanwaltschaft davon ausging, dass der Urologe seine Patienten mit der Täuschung über Tatsachen – nämlich der Vorgabe, er könne sie von ihrem Leiden befreien – zur Bezahlung seiner Honorarnoten verleitet hat. Von diesem Faktum wurde der 57-Jährige freigesprochen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. H. nahm die Entscheidung an, aber die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab. (APA, 29.6.2022)