Wien – Sport hat in Zeiten der Corona-Krise Industrie und Handel beflügelt. Konsumenten flüchteten sich angesichts rigider Restriktionen in die Natur, was vor allem den Absatz von Rädern, Laufschuhen und Tourenskiern boomen ließ. Oder sie versuchten sich in Zeiten der Lockdowns daheim fit zu halten. Beides ließ weite Teil des österreichischen Sporthandels gesund aus der Pandemie hervorgehen.

Der Tritt in neue Pedale wird angesichts der starken Inflation nicht günstiger.
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Unterm Strich gaben die Österreicher im Vorjahr 1,5 Milliarden Euro für Sportartikel aus – um 7,5 Prozent mehr als im Jahr zuvor, erhob eine aktuelle Studie des Marktforschers Kreutzer Fischer Partner im Auftrag des Handelsverbands. Die Geschäfte rund ums Fahrrad wuchsen um 14 Prozent. Bergsport ließ man sich um ehrgeizige 13,5 Prozent mehr kosten.

Skimarkt pulverisiert

Die Ausgaben für Sommeraktivitäten stiegen in Summe um mehr als zehn Prozent. Das Nachsehen hatte, wer von Schnee abhängt. Ausgaben für Wintersportgeräte brachen angesichts geschlossener Hotels in den Skigebieten um 15 Prozent ein. Der Markt für Alpinskier hat sich mit einem Minus von mehr als 47 Prozent geradezu pulverisiert, zeigt die dem STANDARD vorliegende Analyse. Der Onlinehandel erlebte zeitgleich Zuwächse von knapp einem Drittel.

Durch die Branche zieht sich seither ein Graben. Während die Sonderkonjunktur vielen Unternehmen in Ballungszentren Glanz verschaffte, kämpfen sich Betriebe in Tourismusregionen Westösterreichs noch aus dem Tal der Tränen.

Eiskalt erwischt hat die Pandemie Northland. Der steirische Sportartikelhändler ist mit seinen Eigenmarken stark im Ausland vertreten, vor allem in der Ukraine, in Russland und Südamerika. Alle drei Exportmärkte wurden ihm ebenso zum Verhängnis wie zusammengebrochene oder eklatant teurere Lieferketten in Fernost. Im April meldete die Shop-Tochter der Northland Professional Insolvenz an. Mittlerweile ist fix, dass sie weiterarbeiten darf: Ihre Gläubiger nahmen den Sanierungsplan an, teilte Kreditschützer KSV1870 mit. Fünf der 22 Filialen werden allerdings geschlossen. 40 der 120 Mitarbeiter in Österreich mussten seit der Pleite gehen.

Rückkehr in die Geschäfte

Auf der Seite der Gewinner sieht sich Intersport mit 325 Millionen Euro Umsatz im ersten Kalenderhalbjahr 2022. Im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 sei dies ein Plus von zwölf Prozent, zieht Unternehmenschef Thorsten Schmitz Bilanz. Das Wintergeschäft habe sich erholt.

Er ortet nach wie vor hohe Investitionsbereitschaft unter den Kunden und spricht von ihrer Rückkehr in stationäre Geschäfte. Probleme in den Lieferketten sieht er keine. Alles sei quer durchs Sortiment wieder gut verfügbar, versichert Schmitz.

Holger Schwarting, Chef der Handelsgruppe Sport 2000, spricht von ähnlich hohen Zuwächsen und guter Nachfrage, zeichnet aber ein differenzierteres Bild des Marktes.

Stornierte Order

Nach wie vor gebe es weltweit vor allem bei Bikes und Sportschuhen starke Engpässe. Wichtige internationale Marken stornierten bis zu 40 Prozent ihrer Vororder. Ware werde quasi zugeteilt, wobei Neukunden in der Regel leer ausgingen. Wer in den Vorjahren reichlich bestellte, erhalte bestenfalls drei Viertel des bisherigen Volumens.

Große Lieferungen für Fahrräder fehlten teils bis Mai hinein, obwohl die Bikes schon vor Ostern dringend gebraucht wurden. Der Handel habe dadurch Millionen an Umsatz verloren, erzählt Schwarting.

Konsumflaute

Er lässt keinen Zweifel daran, dass Sport in der Krise an Bedeutung gewonnen habe. Der steigenden Unsicherheit der Konsumenten könne sich aber auch seine Branche nicht entziehen. In Deutschland fiel der Index für Kauflust des Marktforschers GfK dieser Tage auf ein historisches Tief. Seit Beginn der Erhebung 1991 wurde kein niedrigerer Wert gemessen. GfK führt dies auf den rasanten Anstieg der Lebenserhaltungskosten zurück. In Österreich erhöhten sich die Großhandelspreise im Mai um 25 Prozent.

Ukraine-Krieg, Inflationsängste, Zinserhöhungen – all das bremse die Konsumbereitschaft. Kostspieligere Anschaffungen würden zusehends hintangestellt, sagt Schwarting.

Expandiert wird dennoch. Intersport eröffnete heuer zwei Standorte in Salzburg und Oberwart. Unter den Diskontern startete jüngst Decathlon seine vierte Filiale in Österreich. Der französische Konzern bietet überwiegend günstig Eigenmarken feil und distanziert sich damit von Internetrivalen. Weltweit zog sein Umsatz im Vorjahr um 57 Prozent auf 14 Milliarden Euro an. (Verena Kainrath, 30.6.2022)