Harry Bergmann schaut im Gastblog ins Narrenkastl und sieht Wahlen in weite Ferne gerückt. Das gefällt ihm nicht, aber er wird es wohl akzeptieren müssen.

... But the fool on the hill
Sees the sun going down
And the eyes in his head
See the world spinning round
(The Fool on the Hill, The Beatles)

Ein Narr zu sein hat eine ganze Reihe von Vorteilen. Einer der vordergründigsten ist die Narrenfreiheit, also alles – ungestraft – sagen zu dürfen. Die Menschen glauben nämlich, ein Narr zu sein sei schon Strafe genug. Er, der Narr, kann auch alles bereits vor Monaten Gesagte immer und immer wieder sagen. Also sage ich, dass ich eine neue Koalition will. Ob dann alles besser wird? Keine Ahnung. Ob es schlechter wird? Kann es denn schlechter werden?

Das Salz der Demokratie ist doch, neue Konstellationen auszuprobieren. Geht es gut aus, ist es gut. Geht es schlecht aus, kann man es beim nächsten Mal ja revidieren.

Der Narr denkt einfach. Wenn er auch nicht immer weiß, was er genau will, dann weiß er zumindest, was er unter keinen Umständen will. Ich will unter keinen Umständen die Koalition, die uns derzeit regiert.

Nachdenken über andere Koalitionen

Narren sind in der Minderheit. Zumindest die, die wissen, dass sie Narren sind und auch gar kein Problem damit haben, das offen zuzugeben. Juden sind auch in der Minderheit. Und Juden wissen – mit ganz wenigen Ausnahmen – dass sie Juden sind. Und wenn sie es einen Moment vergessen haben sollten, dann werden sie schnell und oft nicht unbedingt sehr sanft daran erinnert. Jüdische Narren, wie ich es einer bin, wissen, dass sie die FPÖ unter keinen Umständen wollen. So gesehen hat sich der Narr sehr gefreut, als aus Türkis-Blau Türkis-Grün geworden ist. Er hat auch seine Stimme so abgegeben, dass er einen klitzekleinen Beitrag für Türkis-Grün geleistet hat. Er wurde enttäuscht, wie viele andere auch, die ihre Stimme genauso abgegeben haben.

Also denkt er über andere Koalitionen nach, auch wenn es im Moment keine Wahlen gibt und voraussichtlich noch länger nicht geben wird. Er schaut sich um und er hört sich um. Und da hört er immer wieder etwas von einer großen Koalition. Und er wundert sich. Er wundert sich, dass die Menschen so ein schlechtes Gedächtnis haben. Können sich denn nicht alle daran erinnern, dass in einer Koalition, in der der eine immer das will, was der andere nicht will, nicht nur nichts Gutes, sondern gleich gar nichts herauskommt?

Also was dann? Der Narr denkt einfach, das sagte ich schon. Also denkt er, dass man doch etwas ganz Neues ausprobieren könnte. Es heißt Ampel. Er mag diesen Namen zwar nicht, aber er könnte sich mit der Idee anfreunden. (Harry Bergmann, 30.6.2022)