Caudia Plakolm fand klare Wort zum Fall des Grundsatzurteils Roe v. Wade in den USA.

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Der Abtreibungsentscheid des obersten US-Gerichts vermittelt auch vielen Frauen in Österreich ein ungutes Gefühl. Die US-Bundesstaaten müssen jetzt nicht mehr auf das Grundsatzurteil Roe v. Wade Rücksicht nehmen, das Frauen fast 50 Jahre lang ein Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch eingeräumt hat. Die Bundesstaaten dürfen nun Abtreibung selbst regeln, und die Hälfte der Bundesstaaten wird Verbote oder restriktive Gesetze erlassen.

Wir sehen somit, dass Frauenrechte stets einen prekären Status behalten. Errungen und erledigt, das spielt es offenbar nicht. Immerhin gibt es in Österreich keine Debatte darüber, irgendetwas von der geltenden Regelung zurückzunehmen – zumindest vonseiten der politischen Verantwortungsträgerinnen. Es marschieren zwar ÖVP-Parteimitglieder regelmäßig beim radikalen Antiabtreibungsevent "Marsch für das Leben" mit (DER STANDARD berichtete), andere aus der Partei tolerieren, akzeptieren und unterstützen die Regelung aber durchaus.

In den 1970er-Jahren war die ÖVP klipp und klar gegen die straffreie Möglichkeit abzutreiben. Frauen sollten ein Kind austragen, ob sie wollen oder nicht. Der Nationalrat stimmte 1973 während der Alleinregierung der SPÖ gegen die Stimmen von ÖVP und FPÖ dem Antrag zur Fristenregelung zu. Konservative Parteien wollen vor allem gesellschaftspolitisch oft alles so lassen, wie es ist. Insofern passt es ins Bild, dass jetzt auch die ÖVP-Frauenministerin die geltende Fristenregelung so lassen will, wie sie ist.

"Erschreckender Rückschritt"

Frauen dürften nicht in illegale Abtreibung gezwungen werden, das sei "klar abzulehnen", so Susanne Raab. Immerhin, das klingt doch nach einer guten Entwicklung, die sich in der ÖVP breitgemacht hat. Fast schon revolutionär und deshalb ziemlich überraschend klingt allerdings, was Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm, auch ÖVP, zum Fall des Grundsatzurteils Roe v. Wade sagte: "Ich halte das Urteil für einen erschreckenden Rückschritt ins Zeitalter der Engelmacherinnen. Wir haben in Österreich eine solide Gesetzgebung, die wir unter Garantie nicht einschränken werden", sagt sie.

Auch wenn das Wort "solide" für die Gesetzgebung in Österreich nicht ganz passen mag – Abtreibung ist immerhin nur "straffrei" und bis heute im Strafgesetzbuch verankert –, so ist das für eine konservative Politikerin doch ein enthusiastisches Plädoyer für das Selbstbestimmungsrecht von Frauen. Es ist gut, das von einer jungen Politikerin aus der ÖVP zu hören. Denn konservativ musste zuletzt viel zu oft mit "erzkonservativ" und "rechtspopulistisch" in einem Satz genannt werden. Doch wir sehen: Das muss nicht sein. Denn wir sehen jetzt auch, wohin das in den USA geführt hat.

Plakolms Aussagen zum Schwangerschaftsabbruch sind auch in Hinblick darauf interessant, was ihre Parteikollegin Maria Rauch-Kallat im Zuge der Ereignisse in den USA äußerte. Sie malte ein durchaus beängstigendes Bild, wenn auch in Österreich das Thema "aufgemacht" werden würde. Denn dann, so die frühere Frauenministerin, könnte darauf wieder "eine größere Debatte folgen, an deren Ende auch Verschlechterungen für Frauen stehen könnten".

Einmal ein gutes Zeichen

Aber wie sollen Rufe nach Verbesserungen der geltenden Regelung sonst laut werden? Danach, dass Abtreibung aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden soll? Was ist dann mit der Forderung nach einem dichteren Netz von Angeboten in Österreich, sodass Frauen keine langen Wege und womöglich Fantasiepreise für einen Schwangerschaftsabbruch in Kauf nehmen müssen, weil sie eben keine Auswahl haben? Wenn wir über den Status von 1975 hinauskommen wollen, nicht nur den Status quo erhalten, sondern auch Fortschritt wollen, dann müssen wir das Thema aufmachen.

Und es ist längst nicht gesagt, dass der überwiegende Teil in Österreich darauf mit Rufen nach Restriktionen reagiert. Denn der Großteil denkt heute ganz anders als in den 1970er-Jahren. Selbst einige junge Konservative. Nehmen wir das doch einmal als gutes Zeichen. (Beate Hausbichler, 1.7.2022)