Egal welcher Geschmack, unter den zehn Indie-Tipps sollte für jeden Gamer etwas dabei sein.

Foto: Slitherine Software

Statt einer echten E3 gibt’s Ankündigungen per Youtube-Stream, die Gamescom macht eher wegen namhafter Absagen als wegen neuer Spiele Schlagzeilen, und anhaltende Liefer- und Produktionsverzögerungen lassen die größte Entertainmentbranche der Welt ächzen.

Zum Glück gibt’s mehr als nur Blockbuster: Die folgenden Indie-Games aus diversen Klein- und Kleinstentwicklerstudios trösten über das Ausbleiben großer Spiele hinweg. Übrigens: In Kürze, am 19. Juli, kommt mit dem heißersehnten "Stray" ein Spiel, das perfekt als symbolisches Bindeglied zwischen großer Branche und kleinen, originellen Games taugt. Viel Spaß bis dahin mit diesen zehn Indie-Tipps.

Prime Games

Fabled Lands

https://www.primegames.bg/en/fabled-lands (Windows, Mac, 15,99 Euro)

Die Spielbücher der Fabled Lands-Serie sind bei uns nicht ganz so berühmt wie die Fighting Fantasy- oder Sorcery!-Reihe, doch dieses Spiel bulgarischer Entwickler lässt auch bislang Unwissende an der digitalen Umsetzung einer analogen Fantasyfaszination teilhaben. Statt sich die Finger wundzublättern und echte Würfel zu rollen, darf man sich hier über eine recht offene, große Spielwelt freuen, in der an allen Ecken und Ende klassisch gute Abenteuer für Held oder Heldin warten, Hexfeld-Rundenkampf und fiese Entscheidungen inklusive.

Redbeet Interactive

Raft

https://raft-game.com/ (Windows, Linux, 19,99 Euro)

Vor sechs Jahren war Raft ein von drei schwedischen Studenten entwickeltes kostenloses Kuriosum auf itch.io, in dem man als Schiffbrüchiger sein Floß mit allerlei Treibgut aufrüsten konnte. Vor kurzem endete mit dem "Final Chapter"-Update die 2018 gestartete kommerzielle Early-Access-Phase. Raft ist seit einigen Tagen tatsächlich fertig – und umfangreicher, größer und besser, als man es sich vom kleinen Prototypen ausgehend erträumt hätte. Der Kern des Gameplays wird erweitert um eine umfangreiche Geschichte mit etlichen Landgängen und vielen spannenden Überraschungen – besonders im gemeinsamen Multiplayerspiel.

Red Nexus Games

Peglin

https://gedig.itch.io/peglin (Early Access, Windows, Mac, 16,49 Euro)

Pachinko hat außerhalb Japans nicht dieselbe Fangemeinde wie Flipper und Co, doch die Faszination des relativ passiven Automatenspiels hat sich durch den globalen Erfolg von Peggle durchaus auch in die Welt der Videospiele übertragen. Das Early-Access-"Pachinko-Roguelike" Peglin verbindet dessen meditatives Spielprinzip mit einem minimalistischen Rollenspiel samt Unlocks, Spezialattacken und Skill-Progression, und wie so oft wird daraus eine motivierende Mischung: Ball abfeuern, möglichst viele Pegs abräumen und damit die kleinen Pixelmonster attackieren – klingt simpel, macht aber sehr viel Spaß.

Dark Point Games

Achilles – Legends Untold

https://darkpointgames.com/games/achilles/ (Early Access, Windows, 19 Euro)

Sieht aus wie Titan Quest, ist aber eigentlich etwa anderes: Achilles – Legends Untold ist ein Soulslike aus der distanzierten Schräg-oben-Perspektive, im immer wieder faszinierenden Setting der griechischen Mythologie. Als mächtiger Achilles starten wir bei der Belagerung von Troja, schon bald wird es aber mythisch-fantastisch. Das Kampfsystem mit Ausdauerleiste, Blocken und verschiedenen Spezialangriffen kann zwar nicht mit der Komplexität und Präzision der Vorbilder von From Software mithalten, die hübsche Antike entschädigt aber dafür ebenso wie für die aktuell im Early Access noch etwas kurze Kampagne. Im Koop darf man aber schon in Zufallsdungeons aufbrechen.

DevolverDigital

Card Shark

https://www.devolverdigital.com/games/card-shark (Windows, Mac, Nintendo Switch, 19,99 Euro)

Kein Kartenspiel, sondern ein Videospiel übers Kartenspielen, oder besser gesagt: übers trickreiche Betrügen dabei. In Card Shark schummeln wir uns vom Wirtshaus bis zum Hof des französischen Königs. Die Kartentricks, die wir dabei vom Grafen von St. Germain beigebracht bekommen, präsentieren sich als durchaus alltagstaugliche Tests von Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Geschick. Die Grafik ist außergewöhnlich und stimmig, die klassische Musik lässt Rokoko-Feeling aufkommen, und die spannende Handlung ist ebenso aufreibend wie die Kartenduelle mit Adeligen, die schnell die Hand ans Florett legen, wenn sie Lunte riechen. Card Shark ist ein außergewöhnliches Spiel.

DreadXP

Dread Delusion

https://www.dreadxp.com/dread-delusion/ (Early Access, Windows, 16,79 Euro)

Der Grafikstil der frühen Playstation ist nicht jedermanns Sache, doch wer eine kleine Schwäche für diese Ära hat, ist mit dem im Early Access erschienenen Ausnahme-RPG Dread Delusion gut bedient. Die offene Fantasy-Horror-Welt ist bizarr-exotisch, die Rollenspielmechaniken sind solide und bieten viele Möglichkeiten und die Story ist ebenso interessant wie ungewöhnlich. Für all jene, die Morrowind, Arx Fatalis und King’s Field in guter Erinnerung haben, bietet Dread Delusion einen schreiend bunten neuen Spielplatz mit großem Potenzial.

Modern Wolf

Skeleton Crew

https://modernwolf.net/cinder-cone-games/skeleton-crew (Windows, Mac, 12,50 Euro)

Fantasy-Heldinnen und -Helden gegen untote Armeen, das ist klassisch, genauso wie das Spielprinzip von Skeleton Crew. Wie Castle Crashers und alle anderen Erben der großen Ghosts’n’Goblins-Tradition ist auch dieser Plattformer ein humorvoller Actionspaß, in dem allein oder gemeinsam von links nach rechts gelaufen wird. Besonders gelungen ist das sanft taktische Kampfsystem, in dem immer wieder auch der Einsatz von Charakterfähigkeiten sowie ein absurd befriedigender mächtiger Kick zum Einsatz kommen. Skeleton Crew ist bunt, toll gezeichnet und überraschend abwechslungsreich; nur der Online-Coop funktioniert aktuell noch nicht ganz so reibungslos wie gemeinsam auf der Couch. Man hat aber auch allein seinen Spaß damit.

Annapurna Interactive

Neon White

https://neonwhite.rip/ (Windows, Nintendo Switch, 21,99 Euro)

Als Anime-Gangster im Jenseits möglichst rasch die himmlischen Parcours durchfetzen und nebenbei Dämonen besiegen – das ist unsere Aufgabe in Neon White. Das stylische Spiel ist eine Liebeserklärung ans Speedrunning, bleibt dabei aber massentauglich. Es macht einfach Spaß, die recht kurzen Levels auf der Jagd nach der noch besseren Zeit wieder und wieder zu durchqueren, und das originelle Waffensystem trägt viel dazu bei: Die einsammelbaren Schusswaffen können normal verwendet oder aber mit variablen Effekten "abgelegt" werden – dann ermöglicht ein abgelegter Revolver einen Doppelsprung, der Verzicht auf die Maschinenpistole legt eine Bombe und so weiter. Schnell, hübsch, schräg – Neon White ist ein kleiner Überraschungshit des Frühsommers.

GP GameTrailers

Starship Troopers: Terran Command

http://www.the-artistocrats.com/starship-troopers/ (Windows, 24,99 Euro)

Paul Verhoevens Kultfilm aus dem Jahr 1997 ist eine oft missverstandene beißende Satire auf faschistischen Militärkult, das soeben wie aus dem Nichts dazu aufgetauchte Echtzeitstrategiespiel Terran Command ist in Details ebenso bitterböse geraten, bleibt aber hauptsächlich ein kompetentes RTS-Puzzle, in dem wir die Feuerkraft unserer menschlichen Truppen strategisch sinnvoll gegen die überwältigenden Insektenmonsterhorden platzieren müssen.

Anfangs ist das Spiel fast zu einfach geraten, ab der Hälfte entwickelt es sich zur schönen Herausforderung. Schade, dass es abseits der Single-Player-Kampagne nichts zu tun gibt; die unterhält aber sehr anständig, trotz viel Zwang zum Mikromanagement und – wait for it – gelegentlicher Bugs.

IGN

Frozenheim

https://paranoidinteractive.net/ (Windows, 16,99 Euro)

Dieses Wikinger-Strategiespiel hat vor kurzem den Early Access verlassen und führt in seiner Beschreibung und auch den Trailern ein wenig in die Irre: Ja, in Frozenheim bauen wir eine Siedlung samt Wirtschafts- und Verteidigungsgebäuden, aber Achtung, der Hauptfokus liegt hier weniger auf dem geduldigen Aufbau und dem Feilen an der Stadtlogistik, sondern viel eher im Echtzeitkampf gegen KI oder menschliche MitspielerInnen.

Das heißt: weniger Banished, mehr Age of Empires. Was in diesem Kontext geboten wird, hat durchaus Qualität und kann vor allem auch atmosphärisch überzeugen. Übrigens: Im friedlichen Sandkastenmodus abseits der Kampagne kann man sich dann doch auch ohne Kämpfe am Tüfteln am eigenen Wikingerdorf erfreuen.

(Rainer Sigl, 2.7.2022)