Gregor Müller (li.) und Felix Ohswald haben 2016 Go Student gegründet.

Foto: APA/GOSTUDENT/FELIX HOHAGEN

Es ist eine echte heimische Erfolgsgeschichte: Das Nachhilfe-Start-up Go Student erfreut sich nach mehreren Investitionsrunden mittlerweile einer Milliardenbewertung, unter den Geldgebern finden sich prominente Namen wie Tencent oder Softbank. In den vergangenen Monaten sind allerdings auch immer wieder Vorwürfe laut geworden, dass es hinter den Kulissen nicht gar so rosig zugeht. Ein aktueller Artikel verschärft diese Kritik ein weiteres Mal.

Keilen um jeden Preis

In einem Interview mit dem Morgen-Newsletter des "Falter" erhebt eine ehemalige Mitarbeiterin von Go Student schwere Vorwürfe gegen das Start-up. Die Verkaufspraktiken seien "dubios" und nur darauf ausgerichtet, "auf tiefste Weise zu keilen", der Lernerfolg hingegen komplett egal. Die unter dem Pseudonym Chrissi auftretende Mitarbeiterin hatte zuvor sechs Monate lange im direkten Kundenkontakt bei Go Student gearbeitet.

Ablauf

Alles beginne dabei mit einer Probestunde, die Interessenten einen Vorgeschmack geben soll, wie der Nachhilfealltag schlussendlich einmal aussehen wird. In Wirklichkeit sei diese aber alles andere als repräsentativ – würden dafür doch gezielt Tutoren ausgewählt, die nicht nur fachlich besonders kompetent sind, sondern auch gut mit Kindern umgehen können. Das entspreche aber nicht der folgenden Realität.

Ziel sei es dabei offiziell, einen "Lernplan" zusammenzustellen. In Wirklichkeit sei die einzige relevante Aufgabe in dieser Probestunde, den Kunden einen möglichst langen Vertrag anzudrehen. Die Vorgabe sei dabei, die Interessenten mindestens 48 Monate zu binden, die kürzeste angebotene Dauer von sechs Monaten werde hingegen intern nicht gerne gesehen.

Einträgliches Wegschauen

Mitarbeiter, die das nicht beherzigen und lieber ernsthaft versuchen, einen Lernplan zu erstellen, würden schnell aussortiert. Wer hingegen bei dem gesamten Spiel mitmache, der könne gutes Geld machen. Bis zu 5.000 Euro monatlich wären möglich, für die meist sehr jungen Go-Student-Angestellten im Verkauf ein guter Anreiz, die Moral hintanzustellen.

Kritik äußert "Chrissi" ebenfalls daran, dass die Kunden über viele Punkte gezielt im Unklaren gelassen würden. So würden sämtliche Verträge automatisch verlängert – und zwar wiederum um die volle Laufzeit. Wer drei Jahre bei Go Student war, wird also irgendwann merken, dass der Vertrag irgendwann wieder für drei Jahre läuft, wenn er nicht zeitgerecht manuell gekündigt wird.

Sprachbarriere

Ein weitere Vorwurf: In Kundengesprächen würde immer wieder klar, dass das Gegenüber aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse den Vertrag nicht verstehe, trotzdem würden auch in solchen Fällen Abschlüsse vorgenommen. Auch auf das 14-tägige Kündigungsrecht nach Abschluss des Vertrags werde im Gespräch nicht hingewiesen, dies verstecke sich irgendwo im Kleingedruckten.

Eine Nachfrage des STANDARD zu den erhobenen Vorwürfen wurde von Go Student bisher nicht beantwortet, auch gegenüber dem "Falter" gab man sich zunächst verschwiegen.

Vorgeschichte

Es ist nicht das erste Mal, dass Vorwürfe gegen die Geschäftspraktiken von Go Student erhoben werden. "Hauptsache, weg, es war unerträglich" beschrieb etwa eine ehemalige Tutorin ihre Erlebnisse bei dem Start-up vor einigen Monaten gegenüber dem STANDARD. Demnach soll dort massiver Druck auf die Tutorinnen und Tutoren an der Tagesordnung sein, auch Gehälter würden nicht regelmäßig ausbezahlt. Go Student sprach damals von von einem "schwierigen Umfeld" und versprach Verbesserungen.

Gerade angesichts dieser Aussage gilt auch sonst mit Interesse zu beobachten, wie es mit Go Student weitergeht. Immerhin erhöht die aktuelle Wirtschaftslage den Druck auf Start-ups gerade noch einmal gehörig. So wollte sich die Firma denn auch unlängst bei einer Rückfrage des "Brutkasten" explizit nicht zu der Frage äußern, ob Entlassungen anstehen. (red, 30.6.2022)