Sicherheitskräfte blockierten Migranten an der Grenze zu Belarus.

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In der EU können Asylwerberinnen und Asylwerber auch bei besonders großem Zustrom von Ausländern nicht mit der alleinigen Begründung in Haft genommen werden, dass sie sich illegal im Land aufhalten. Der Staat müsse in solchen Fällen deutlich machen, dass die Person eine Bedrohung für die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung sei, erklärte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag in Luxemburg per Eilvorabentscheidung.

Es ging um neue Asylregelungen in Litauen wegen der Lage an der Grenze zu Belarus. Seit Sommer 2021 kamen tausende Flüchtlinge über Belarus an die EU-Außengrenzen, wurden dort aber abgewiesen. Die EU wirft dem autokratischen belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, Migranten gezielt an die EU-Außengrenzen zu schleusen, um Druck auszuüben, weil die EU Sanktionen gegen sein repressives Regime verhängt hat. Im Juli rief Litauen den Notstand aus. Das Land verschärfte außerdem seine Asylvorschriften.

Das Oberste Verwaltungsgericht in Litauen ist nun mit dem Fall eines Migranten aus einem Drittstaat befasst, der über Belarus erst nach Litauen und dann nach Polen reiste, wo er ohne die notwendigen Papiere gestoppt wurde. Die litauischen Behörden beantragten zunächst erfolgreich, ihn vorübergehend in Haft zu nehmen, wogegen er sich vor Gericht wehrt.

Dieses fragte den EuGH, ob die Neuregelungen mit dem EU-Recht vereinbar seien. Im konkreten Fall muss es selbst entscheiden, ist dabei aber an die Rechtsauslegung des EuGH gebunden.

"Richtungsweisender Spruch"

In Österreich begrüßte die Sprecherin der Grünen für Migration und Menschenrechte, Ewa Ernst-Dziedzic, den "richtungsweisenden Spruch" als "wichtige Richtschnur im Hinblick auf die Einhaltung der Menschenrechte in Europa". Flucht sei kein Verbrechen, so die Nationalratsabgeordnete in einer Aussendung.

"Gerade das Grenzgebiet auf polnischem Staatsgebiet ist eine Blackbox, in der die Geflüchteten ohne jegliche Kontrolle durch NGOs der behördlichen Willkür ausgeliefert sind. Eine internationale Untersuchung wird bis heute verunmöglicht. An der gesamten belarussischen Grenze zur EU sind geschlossene Lager entstanden, wo Menschen gegen ihren Willen festgehalten werden. Nach allem, was hier bisher an Übergriffen dokumentiert wurde, ist deshalb die heutige Klarstellung wichtig: Es darf in keinem Mitgliedsstaat der Europäischen Union eine solche menschenrechtsfreie Zone geben. Statt einer Haft muss eine Prüfung der Asylgründe vorgenommen werden", hielt Ernst-Dziedzic fest. (APA, 30.6.2022)