Dem UBSC Graz (im Bild Randy Haynes im Liga-Halbfinale gegen den späteren Meister BC Vienna) sind die Folgen eines Wettskandals kaum mehr anzumerken, er fühlt sich aber vom Staat im Stich gelassen.

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Graz – Michael Fuchs spricht mit ruhiger Stimme. Innerlich bebt er aber. "Es ist ein Skandal. Kriminelle haben Geld kassiert, der Staat bekam Kautionen. Und wir? Haben nur eingezahlt. Es scheint, als ob sich Verbrechen auszahlen würde."

Es war der 27. Jänner 2020, als Österreichs Basketball von einem Wettskandal erschüttert wurde. Fünf Spieler des Bundesligisten UBSC Graz wurden wegen vermuteter Wettmanipulationen sowie Flucht- und Verdunkelungsgefahr verhaftet. Graz verlor im Grunddurchgang damals 14 von 18 Spielen. Zweieinhalb Jahre später gibt es keine Anklage, also keinen Verhandlungstermin, geschweige denn ein Urteil. Fuchs ist der Manager des UBSC Graz, und er wünscht sich, dass "endlich Recht geschaffen wird. Der Verein ist hier das Opfer. Ich würde den Staat gerne wegen Inaktivität klagen, er kommt seinen Pflichten nicht nach", sagt Fuchs dem STANDARD.

Verdächtige Fehler

Stutzig wurde der 57-jährige Steirer bereits zu Beginn der Saison 2019/20. "Im Alpe Adria Cup schießen wir den BC Vienna mit 40 Punkten Vorsprung aus der Halle. Und kurz darauf beim Meisterschaftsauftakt in St. Pölten machen wir Fehler wie eine Schülertruppe. Einer der Verdächtigen machte fünf Fouls in nur neun Minuten Spielzeit. So etwas passiert doch nicht einmal einem 16-Jährigen." Fuchs hatte bereits ein schlechtes Gefühl, konnte aber nichts beweisen. Bald darauf kündigte er einen der Legionäre im Kader, "um zu schauen, ob sich was ändert".

Anfang Dezember 2019 gastierte Graz im Cup beim Zweitligisten Basket Flames in Wien. In der ersten Halbzeit lagen die Steirer teilweise mit 20 Punkten im Rückstand. "In der Pause habe ich in der Garderobe dann einen Wirbel gemacht, dass die Fetzen geflogen sind", sagt Fuchs. Graz dreht die Partie noch um, ein Verdacht blieb.

Ein Kartenhaus

Zwei Monate später fiel das Kartenhaus zusammen, dank Zeugenaussagen und Beweisen. Was sich nach Auffliegen des Skandals abspielte, war zum Teil abenteuerlich. Einer der Verdächtigten, ein US-Amerikaner, flüchtete nach Bezahlung der Kaution über Amsterdam in die USA. Mit einem Notpass, denn seinen Reisepass hatte er zwecks Strafverfolgung bei den Behörden abgeben müssen. Ein anderer tauchte in Serbien unter. Das serbische Gesetz untersagt die Auslieferung eigener Bürger. In U-Haft sitzt längst keiner der Spieler mehr. Für alle gilt die Unschuldsvermutung.

Fuchs musste die halbe Mannschaft austauschen und fordert Schadenersatz. "Sponsoren, die absprangen, Zuschauer, die nicht mehr gekommen sind, die Verpflichtung neuer Spieler, all das hat uns viel Geld gekostet. Leider ist der Schaden vor Gericht schwer bezifferbar."

Dass die Staatsanwaltschaft Graz schneller arbeiten kann, zeigt sich im Fußball. Im Wettskandal in der Regionalliga Ost wurde Mitte Juni Anklage erhoben. Den 15 Angeklagten – darunter aktive und ehemalige Spieler aus unteren Ligen – wird schwerer gewerbsmäßiger Betrug vorgeworfen.

Fußball hat Vorrang

Zwischen 2019 und 2021 sollen zumindest 19 Spiele manipuliert worden sein, darunter Partien der – drittklassigen – Regionalliga Ost, des ÖFB-Cups, des Burgenland-Cups und der Wiener Stadtliga. Weitere Spiele würden noch untersucht, heißt es seitens der Staatsanwaltschaft. Die Schadenssumme beläuft sich auf knapp 200.000 Euro. Der Strafrahmen beträgt für Haupttäter immerhin bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe. Ein Verhandlungstermin ist aber noch offen. "Der Fußball wird auch vor Gericht bevorzugt behandelt", sagt Fuchs.

Erhebungen abgeschlossen

Anfang dieses Jahres wurden die Erhebungen zumindest im Fall des UBSC Graz eigentlich abgeschlossen. Es ist ein Wettskandal, der weitere Kreise ziehen könnte, noch wird gegen weitere Spieler ermittelt. Fuchs: "Seitdem habe ich null Informationen vonseiten der Staatsanwaltschaft bekommen. Unser Ruf steht auf dem Spiel."

Die Fédération Internationale de Basketball (Fiba) wollte die Sperren für die fünf verdächtigten Spieler bereits im Vorjahr wieder aufheben, der UBSC Graz hat aber bisher keine Freigaben erteilt. Einer der Verdächtigen fragte direkt in Graz um einen Vereinswechsel an, das hat Fuchs abgelehnt. Ein anderer heuerte in der ersten argentinischen Liga an. Als Fuchs davon erfuhr, schrieb er dem Verein eine E-Mail, er würde alle lokalen Medien in Argentinien über den Wettskandal informieren, falls dieser Spieler noch einmal zum Einsatz käme.

Wenig Geld

In der Basketball-Superliga (BSL) verdienen Top-Legionäre rund 3500 Euro brutto pro Monat, Spieler der Startfünf kommen meist auf nicht mehr als 2000 Euro. Der Verband (ÖBV) investiert in Ausbildung, Schulung, Prävention – das habe man schon ordentlich gemacht, sagt Präsident Gerald Martens, "aber wir haben gelernt, dass wir noch mehr machen und eine noch höhere Ebene erreichen müssen". In österreichischen Wettbüros sind Wetten auf Basketballspiele eine vernachlässigbare Größe. Manipulationen sind eher in ausländischen Wettbüros üblich.

Michael Fuchs, dessen Grazer sich sportlich erholt haben und in der vergangenen Saison erst im Playoff am späteren Meister aus Wien scheiterten, vermutet mafiöse Strukturen auf dem Balkan: "Du bekommst Spieler angeboten und machst keine Background-Checks. So etwas vermutest du nicht. Ein naiver Fehler." (Florian Vetter, 12.7.2022)