Mit Regenbogenfahnen, runder Nummernanzeige und ohne ausfahrbare Trittbretter fahren die E1-Wagen in Floridsdorf am Freitag ihre letzte Runde.

Foto: Robert Newald

Straßenbahnfahrer und Bim-Liebhaber Kurt Klement.

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Der Pferdetramway existierte ab 1865 in Wien (Foto 1890 am Ring).

Foto: Wiener Linien

Ab 1897 fuhr die elektrische Straßenbahn in der Innenstadt.

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Der C1, der erste Großraumwagen, fuhr ab 1955.

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Seit 1995 im Einsatz: der "Ulf" abgekürzte Niederflur-Wagen.

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Der Flexity ist die neueste Straßenbahn-Anschaffung in Wien.

Foto: Wiener Linien/Manfred Helmer

Mit dem für sie typischen Glockengebimmel, dem die Straßenbahnen in der Hauptstadt ihren wienerischen Spitznamen verdanken, fährt die "Bim" Nummer 30 in die Kurve. Zum Stehen kommt sie in der Station Floridsdorf, dem zentralen Verkehrsknotenpunkt nördlich der Donau, den drei weitere Straßenbahnen, außerdem Busse, Regionalzüge und die U-Bahn-Linie U6 queren. Elf Stationen zählt die Strecke der Straßenbahn mit der Nummer 30, die hier beginnt. In Stammersdorf, der anderen Endhaltestelle im nördlichsten Teil Wiens, kehrt sie um. Heute, Freitag, tritt sie ihre letzte Fahrt an – die Verbindung selbst bleibt freilich bestehen. Für den hier eingesetzten Straßenbahntyp aber, der die Strecke vom Franz-Jonas-Platz bis zu den Ausläufern des Bisambergs stets abfuhr, ist Endstation.

DER STANDARD

Die rot-weißen E1-Fahrzeuge, die seit 1967 auf Wiens Straßen unterwegs waren, beenden am 1. Juli ihren Dienst. Die letzten sieben Stück der ältesten noch in Betrieb befindlichen Straßenbahnart waren regulär ohnehin nur mehr auf der Linie 30 im 21. Bezirk im Einsatz – weil die Remise Floridsdorf auf diesen Wagentypen ausgerichtet ist. Die alten Garnituren hätten eigentlich schon 2017 ausgemustert werden sollen. Der Termin verschob sich nach hinten, da die Stadt die Intervalle für die öffentlichen Verkehrsmittel zusehends vergrößert hat. Nun werden sie durch jene Niederflurstraßenbahnen ersetzt, die auch im Rest der Stadt schon mehrheitlich verkehren.

Sie unterscheiden sich nicht nur durch ihr Aussehen: Die Technik ist ausgefeilter, der Innenraum ist klimatisiert, der Wagen ebenerdig und damit auch rollstuhl- und kinderwagengerecht. Die neuen Modelle bieten eine Reihe von Vorteilen, dennoch zieht der Oldtimer Nostalgiker an, die Fotos machen oder eine finale Runde drehen, ehe ein Stück Verkehrsgeschichte zu Ende geht.

Ein bisschen Wehmut

"Ein bisschen wehmütig" ist auch Kurt Klement. Er war fast 40 Jahre Straßenbahnfahrer und ist in dieser Zeit eine Reihe von Straßenbahnen gefahren, heute schult er den Nachwuchs. Schon als Kind habe er Schienenfahrzeuge geliebt: "Ich fahre sie alle gerne." Mit den E1-Wagen sei er aufgewachsen, sie begleiteten ihn seine Karriere hindurch. "Das ist einfach mein Fahrzeug", sagt Klement. Aber er sehe auch die Vorteile. Der Motor fahre sich mit jedem neuen Wagen ein Stück weit besser, zudem seien sie wesentlich energieeffizienter. Und überhaupt, die Temperaturen: "Ich habe genug geschwitzt in ihnen", lacht Klement. Ist es heiß, "sehe ich sie lieber von außen".

Die Geschichte der Wiener Straßenbahnen begann vor 200 Jahren mit schienengebundenen Pferdebahnen. Sie wurden ab Ende des 19. Jahrhunderts durch einen Dampfantrieb ersetzt und schließlich elektrisch betrieben. Heute ist das von den Wiener Linien betriebene Straßenbahnnetz mit einer Betriebs länge von 172 Kilometern das sechstgrößte der Welt: 500 Wagen sind auf 28 Linien im Einsatz. Rund 40 Jahre beträgt die Lebensdauer einer Straßenbahn. Die Auslaufmodelle gehen an Museen, private Sammlerinnen und Sammler, werden verschrottet oder ins Ausland verkauft. So finden sich bis heute Garnituren der Wiener Linien in Bosnien oder den Niederlanden – bestellt werden die alten Hochflurzüge heute nicht mehr.

Ein paar Oldtimer bleiben

"Von der Ästhetik her finde ich es etwas schade, weil sie schöne Straßenbahnen sind", sagt der 22-jährige Saverio Cuglia, der bei einer ihrer letzten Fahrten auf die Bim Nummer 30 wartet. Die Züge seien aber nun einmal alt geworden, und "es ist schon cool, dass die modernen klimatisiert sind". In Wien verschwinden die rot-weißen, hohen Triebwagen noch noch nicht ganz aus dem Stadtbild: So sind weiterhin 116 Stück des E1-Nachfolgermodells E2 im Einsatz – mehr als geplant, nachdem sich die Lieferung der neuesten Straßenbahngarnituren Flexity verzögert hat.

Die E2 verfügen im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen über ausfahrbare Trittbretter und über ein eckiges statt eines runden Nummernschilds auf dem Dach. Bis 2025 sollen auch sie in Pension gehen. Nun wird aber zunächst einmal am Freitagabend der E1-Wagen verabschiedet. Auch Kurt Klement wird sich dann ein letztes Mal in die E1-Fahrerkabine setzen: "Es werden wohl mehrere Runden, und es wird bestimmt sehr voll werden." (Anna Giulia Fink, 1.7.2022)