Christine Bauer, Leiterin der Nestroy-Spiele in Schwechat, wohnt seit ihrer Geburt in derselben Wohnung am Wiener Naschmarkt. Wozu Neues kaufen, sagt sie, wo doch das alte Trumm so bequem ist!

"Meine Eltern sind hier 1939 eingezogen und haben die Wohnung damals von einem Tischler einrichten lassen. Fast alles, was man hier sieht, sind noch die alten Rundholzmöbel aus massiver Nuss. Hat ein bissl gedauert, bis sie mich dann produziert haben, kriegsbedingt bin ich also erst ein paar Jahre später auf die Welt gekommen – und quasi in diese bereits fertig eingerichtete Wohnung, in der ich immer noch lebe, hineingeboren. Ich habe hier einen geradezu historischen Meldezettel, gemeldet als Baby.

Christine Bauer in ihrer Wohnung, die ein Mix aus Vergangenheit und Gegenwart ist.
Foto: Florian Albert

Das Highlight ist diese Sitzlandschaft hier im Wohnzimmer. Die beiden Sitzschenkel haben die Breite, Länge und Weichheit eines Bettes, jedoch die Höhe und Polsterbeschaffenheit eines Hybrids aus Sofa und Esstischbank. Es ist ein wahnsinnig bequemes Möbel, das sich zum Sitzen am Esstisch genauso eignet wie zum Lümmeln, Knotzen, Bücherlesen und Schlafen. Immer wieder ist die Frage aufgetaucht, ob ich mir ein neues Sofa kaufen soll. Doch, ganz ehrlich: Wozu eine schlechte, unangenehme neue Couch, wenn ich auch dieses alte, bequeme Trumm haben kann? Funktionalität und Komfort sind immerhin wesentliche Parameter für das Schönheitsempfinden eines Möbelstücks, nicht wahr?

Ich bin hier aufgewachsen – eine uralte Mietwohnung mit knapp 100 Quadratmetern in unmittelbarer Naschmarktnähe – und lebe hier in einer Mischung aus Vergangenheit und Gegenwart, in einer Collage aus tausenden Erinnerungen. Aber das stört mich nicht, denn ich hatte eine sehr glückliche Kindheit. Ich kann mich noch erinnern, wie wir eine Decke über den Esstisch geworfen und dann darunter gespielt und gezeltet haben, wie ich hier Hausübungen geschrieben habe, später irgendwelche komplizierte Arbeiten für die Uni.

Das Bett war ursprünglich eine Requisite in einem Theaterstück über Frida Kahlo.
Fotos: Florian Albert

Der Bedarf an Veränderung und Neuerfindung hält sich in Grenzen. Erst unlängst habe ich den Vorzimmerschrank und die Wände in der Küche neu gestrichen, mal in einem kräftigen Grün, mal in einem richtig satten, intensiven Rot. Das war mein Corona-Projekt, und eine Freundin, die so was wirklich gut kann, hat mich dabei unterstützt, denn ich selbst … na ja. Aber die wahren Veränderungen finden ja ohnehin nicht im Außen statt, sondern im Innern, und in dieser Hinsicht gab es in meinem Leben schon etliche dramatische Veränderungen mit sehr klaren Entscheidungen. Klare Entscheidungen sind gut, sie strukturieren das Leben.

Eines der spannendsten Möbel in dieser Wohnung ist mein Bett. Um 2000 habe ich mit Michaela Scheday im Ensemble-Theater ein Theaterstück geschrieben – Ein Fest für Frida Kahlo –, und wir haben es gemeinsam auf die Bühne gestellt. Eine der Requisiten, die wir für dieses Stück gebaut haben, ist Frida Kahlos Bett, das wir anhand von Fotos des Originalbetts in ihrem Haus in Mexiko nachgebaut haben. Mir hat das Bett so gut gefallen, dass ich es nach der Produktion mit nach Hause genommen habe – und nein, bis heute habe ich keine Albträume über Fridas Leben.

"Der Bedarf an Veränderung und Neuerfindung hält sich in Grenzen", sagt Christine Bauer über ihren Wohnstil.
Fotos: Florian Albert

Wohnen ist für mich etwas sehr Wichtiges, obwohl ich nicht weiß, was genau das überhaupt bedeutet. Nachdem ich schon seit Jahrzehnten mit dem Theater verankert bin und Schauspieler und Bühnenmenschen von Natur aus sehr expressive, extrovertierte und manchmal auch extravagante Gestalten sind, muss man ab und zu auch auf Distanz gehen und ein bisschen abschalten. Und dazu eignet sich diese Wohnung einfach perfekt. Es gibt kaum Leute aus meinem Theatermilieu, die hier je zu Besuch waren. Meist besuchen mich Freunde aus ganz anderen Welten.

Auch ich sehne mich nach all den letzten Wochen des Endspurts wieder nach einer ganz anderen Welt. Jetzt ist erst einmal Premiere und Eröffnung der Nestroy-Spiele. Und danach fängt die Zukunft an. Und die Zukunft wird gut sein, denn ich werde schlafen, schlafen, schlafen, endlich wieder Zeitung lesen im Café Savoy, und dann ab ans Meer, Tapetenwechsel und frische Luft schnuppern." (4.7.2022)