Xi Jinping bei seiner Rede in Hongkong.

Foto: EPA

Nur wenig überlässt Chinas oberste Führung dem Zufall, und so dürfte auch die Wahl des Transportmittels etwas über das Verhältnis Pekings zu Hongkong aussagen. Mit dem Zug von Shenzhen kam Xi Jinping am Donnerstag in Hongkong an, um den 25. Jahrestag der Übergabe zu feiern.

Die Hochgeschwindigkeitszüge, mit denen die Partei in den vergangenen zehn Jahren das Land überzogen hat, sind Stolz und sichtbares Zeichen für den wirtschaftlichen Erfolg des Landes. Entfernungen schrumpfen zusammen und die Peripherie rückt näher an das Zentrum der Macht, Peking.

Als Chinas Präsident dort ankommt, empfangen ihn rote Fahnen schwenkende Kinder, und auch sonst ist die Stadt mit roten Fahnen übersät. Hongkong ist ein Teil Chinas – wie jede andere Stadt der Volksrepublik auch, so die implizite Botschaft. Es ist das erste Mal seit Beginn der Corona-Pandemie, dass Xi das Festland verlässt.

Auch dass seine Frau, Peng Liyuan, ihn dabei begleitet, ist ungewöhnlich. All das zeigt, wie symbolisch aufgeladen der Besuch ist. Die Niederschlagung der Protestbewegung und die Wiederangliederung der Sonderverwaltungszone Hongkong an das Festland wertet Xi als einen seiner größten außenpolitischen Erfolge. "Hongkong hat große Herausforderungen gemeistert und ist aus der Asche wiederauferstanden", sagt er in einer Rede am Donnerstag.

30.000 Polizisten zusätzlich

Als Xi das letzte Mal vor fünf Jahren die Stadt besucht hatte, gingen zehntausende Hongkonger auf die Straße. Doch die Demokratiebewegung ist spätestens seit Juli 2020 zerschlagen. Die Aktivisten sitzen entweder – etwa wie Studentenführer Joshua Wong – im Gefängnis oder haben sich ins Ausland abgesetzt. Rund 30.000 Polizisten sind extra dafür abgestellt, in den kommenden zwei Tagen die Straßen zu kontrollieren.

Zahlreiche Medien und Journalisten sind von der Berichterstattung ausgeschlossen, darunter die Nachrichtenagenturen Reuters, AFP sowie die South China Morning Post.

Hongkong galt lange Zeit als freier als das Festland. Die Internetzensur war wesentlich weniger strikt, Facebook und westliche Nachrichtenseiten waren, anders als auf dem Festland, nicht gesperrt. Spätestens seit dem "Nationalen Sicherheitsgesetz" aber hat sich das geändert. Der Zustand der Pressefreiheit in Hongkong nimmt rapide ab. Zuletzt gab es vor einigen Wochen eine Kontroverse um den eingesessenen Foreign Correspondent Club (FCC), der sich dazu entschlossen hatte, dieses Jahr erstmals keinen Menschenrechtspreis zu verleihen, weil "man nicht gegen Gesetze verstoßen will".

Flucht aus Hongkong

Die Angleichung an das Festland kostet die einstige Finanzmetropole aber auch wirtschaftlich viel. Immer mehr Ausländer verlassen die Stadt. Nicht nur Medien, auch Banken und internationale Firmen verlegen ihren Firmensitz nach Singapur, Seoul oder Tokio.

Die Stadt Hongkong wurde 1841 nach dem ersten Opiumkrieg von Großbritannien besetzt, was in der chinesischen Geschichtsschreibung als Schmachfrieden und "ungleicher Vertrag" gilt. In den folgenden 150 Jahren entwickelte sich die britische Kronkolonie aber auch zum größten Zufluchtsort für Festlandchinesen.

Nach der Machtergreifung der Kommunisten 1949 schwoll die Bevölkerung bis 1980 von 1,5 Millionen auf fünf Millionen an. Nach der blutigen Niederschlagung der Studentenproteste am Pekinger Platz des Himmlischen Friedens 1989 flüchteten nochmals viele Demokratieaktivisten dorthin. Am 1. Juli 1997 schließlich erfolgte die Rückgabe der britischen Kronkolonie an Festland-China.

Unter dem Slogan "Ein Land, zwei Systeme" versprach die kommunistische Partei, den Autonomiestatus der Stadt mindestens 50 Jahre lang zu wahren – ein Versprechen, das sie mit dem "Nationalen Sicherheitsgesetz" 2020 brach. Auch die Andenken an das Tiananmen-Massaker 1989 sind seitdem verboten. (Philipp Mattheis, 1.7.2022)