Das Haus in der Kaiserstraße ist mehr als 200 Jahre alt. Zuletzt stand es leer.

Foto: Zoidl

Noch steht das zweistöckige Biedermeierhaus in der Kaiserstraße 31 im siebenten Wiener Gemeindebezirk. Aber durch die geöffneten Fenster hört man schon das Hämmern der Arbeiter, oben am Dach entfernt einer von ihnen bereits die Dachlatten. Das Haus wird abgerissen – und das lässt im Grätzel die Wogen hochgehen.

Ursprünglich war man im Bezirk von einer Sanierung des Hauses, das Anfang des 19. Jahrhunderts erbaut wurde, ausgegangen. Es gehört einem Frauenorden, der Kongregation der Schwestern vom Göttlichen Erlöser, und steht in einer Schutzzone. Vom nun begonnenen Abriss wurde sogar der grüne Bezirksvorsteher Markus Reiter überrascht. Eigentlich sind alte Wiener Häuser mit Baujahr vor 1945 in Wien seit der Novelle einer Bauordnung vor ziemlich genau vier Jahren geschützt. Die MA 19 (Architektur und Stadtgestaltung) entscheidet seither, ob öffentliches Interesse am Erhalt eines alten Hauses besteht oder nicht.

Einen Ausweg stellt allerdings die "wirtschaftliche Abbruchreife" dar. Hausbesitzerinnen können argumentieren, dass eine Sanierung nicht wirtschaftlich sei, weil die eventuellen Vermietung des Gebäudes über einen Zeitraum von 20 Jahren die Kosten der Instandsetzungsarbeiten übersteigen.

Mehr Einreichungen

Denkmalschützerinnen und Denkmalschützer kritisieren seit Jahren, dass man Häuser deshalb mutwillig verfallen lässt – etwa, indem alle Fenster im Winter offen gelassen werden –, um sie dann abreißen zu können. Ein großer Kritikpunkt: Die Gutachten zur wirtschaftlichen Abbruchreife werden von Sachverständigen gemacht, die der Hausbesitzer bezahlt. "Es ist ziemlich klar, dass da rauskommt, dass eine Sanierung unwirtschaftlich ist", kritisierte Georg Prack, Wohnsprecher der Wiener Grünen, bei einem Pressegespräch am Donnerstag.

Bei der MA 25 (Technische Stadterneuerung) betont man indes, dass das Gebäude besichtigt und dabei überprüft werde, ob das Gutachten über die wirtschaftliche Abbruchreife mit den örtlichen Gegebenheiten übereinstimme. Tun sie das nicht, erstelle die MA 25 eine eigene gutachterliche Stellungnahme.

Insgesamt hat man bei der Baupolizei im Vorjahr zwar einen Anstieg bei den Einreichungen zur wirtschaftlichen Abbruchreife bemerkt. Das wird bei der Behörde aber auf die seit der erwähnten Novelle geltende Bewilligungspflicht für Abrisse zurückgeführt. Zuvor konnte man Häuser außerhalb von Schutzzonen ohne Bewilligung abreißen.

Höhere Strafen

Genau mit dieser wirtschaftlichen Abbruchreife hatte der Eigentümer auch in der Kaiserstraße Erfolg. Er überlegt laut einem Medienbericht, einen Wohnbau zu errichten, und betont, alle rechtlichen Vorgaben eingehalten zu haben. Die Wiener Grünen fordern nun die Abschaffung der wirtschaftlichen Abbruchreife. Als die Wiener Bauordnung vor etwas mehr als vier Jahren verschärft wurde, waren die Grünen noch in einer Koalition mit der SPÖ. Schon damals habe man sich dafür eingesetzt, aber sich nicht durchgesetzt, betonte Prack bei einem Pressegespräch am Donnerstag.

Er wünscht sich auch eine Erhöhung der Strafen für illegale Abrisse. Seit einer weiteren Novelle der Bauordnung 2021 liegt die Strafobergrenze bei 300.000 Euro. "Immobilienhaie zahlen das aus der Portokassa", sagt Prack, der eine Strafobergrenze von 750.000 Euro vorschlägt. Auch im Mietrechtsgesetz bereits vorgesehene Zwangsmaßnahmen sollten aus Sicht der Grünen verstärkt eingesetzt werden, etwa, indem Häuser, deren Eigentümer sich weigern, eine Sanierung durchzuführen, in Zwangsverwaltung übernommen werden. Weiters gefordert wird eine Ausweitung von Schutzzonen, etwa auf das Gebäudeinnere, und eine Einführung der Leerstandsabgabe nach Vorbild von Tirol und Salzburg. Hier wurden solche Abgaben jüngst beschlossen.

Aus dem Büro der Wiener Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál heißt es dazu, dass eine gänzliche Abschaffung der wirtschaftlichen Abbruchreife nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs verfassungswidrig sei. Allerdings will man nun zusätzliche Maßnahmen zum Schutz alter Häuser prüfen. Den Rahmen dazu biete eine Enquete im November, die den Startschuss für eine große Bauordnungsnovelle im kommenden Jahr sein soll. "Wir werden unsere Vorschläge mit Nachdruck einbringen", kündigte Judith Pühringer, Parteivorsitzende der Wiener Grünen, für diese Enquete an.

Weitere Abbrüche

Die Abrisse alter Häuser lassen auch andernorts die Wogen hochgehen. Mit einigen wurden bereits vor vier Jahren und damit vor der Verschärfung der Bauordnung begonnen, in der damals noch bewohnten Radetzkystraße 24–26 in Wien-Landstraße zum Beispiel. Das Haus beschäftigte seither sogar den OGH. Letztendlich wurden Einigungen gefunden, die Mieterinnen und Mieter sind vor einigen Monaten ausgezogen. Das Haus wurde abgerissen.

Für große Aufregung sorgte auch der Abriss des Gasthaus Sperl im vierten Bezirk, das im Juni 2018 innerhalb weniger Tage zusperrte und daraufhin teilweise abgerissen wurde. Auf Nachfrage beim Eigentümer heißt es nun, dass mittlerweile ein Projekt eingereicht wurde. Im Bauausschuss des Bezirks sei es bereits vorgestellt worden. Einsprüche von Anrainern habe es keine gegeben. Auch bei einem Gründerzeithaus in der Donaufelder Straße 193 im 22. Bezirk rollten vor kurzem die Bagger an.

Georg Prack von den Grünen hofft nun, dass sich der Orden, dem das Haus in der Kaiserstraße gehört, noch besinnt. Im Grätzel selbst hat sich aber Ernüchterung breitgemacht. "Dass man noch etwas retten kann, glaubt niemand mehr", berichtet ein Anrainer, der seit 30 Jahren hier wohnt. Er hofft nur noch, dass der hier wohl bald entstehende Neubau nicht viel höher ausfällt als das mehr als 200 Jahre alte Haus – und dass das benachbarte Biedermeierhaus nicht auch noch das gleiche Schicksal ereilt. (Franziska Zoidl, 7.7.2022)