Geplant ist eine Überwachung der Einfahrten in die Wiener Innenstadt mittels Kameras und Kennzeichenerfassungssystems.

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Die Stadt Wien will die täglichen Einfahrten in die Innenstadt sowie die Zahl der öffentlichen Stellplätze deutlich reduzieren. So sieht es das Koalitionspapier von SPÖ und Neos vor. Ziel ist, dass bis auf wenige weitere Ausnahmen nur noch Anrainer in Bereiche innerhalb des Rings fahren dürfen. Diese sind, so der Plan der Stadt: Taxis, Zulieferer, Müllabfuhr und Einsatzfahrzeuge. All jene, die keine Anrainer sind und nicht als Ausnahmen geführt werden, sollen ihre Fahrzeuge nur noch in Parkgaragen abstellen dürfen.

Geplant ist eine Überwachung der Einfahrten mittels Kameras und Kennzeichenerfassungssystems. Dafür fehlt aber noch eine Rechtsgrundlage: Diese müsste von der zuständigen Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) in einer Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) geschaffen werden. Das Ministerium von Gewessler gab aber bereits bekannt, dass "noch weitere Klärungen notwendig" seien – "insbesondere im Bereich des Datenschutzes". Aktuell wird eine Datenschutzstudie erarbeitet. Diese soll laut der Wiener Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) "in wenigen Wochen" fertig sein und präsentiert werden.

Abseits dieses Rechtsgutachtens wurde auch eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben – auf Drängen des ersten Bezirks unter Bezirksvorsteher Markus Figl (ÖVP). In dieser Machbarkeitsuntersuchung werden laut dem Büro Figl "die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Einführung einer verkehrsberuhigten Zone innerhalb des Rings geprüft".

Geschätzte Investitionskosten von 18,6 Millionen Euro

Eine erste Rohfassung im Powerpoint-Format liegt nun dem STANDARD und ORF-"Wien heute" vor. Diese wurde am 17. Mai 2022 im Lenkungsausschuss zwischen der Stadt und dem ersten Bezirk behandelt. Demnach geht das beauftragte Verkehrsplanungsbüro davon aus, dass mit geschätzten Investitionskosten in Höhe von 18,6 Millionen Euro für die Einfahrtsüberwachung mit Kameras gerechnet werden müsse. Die Betriebskosten werden mit 2,4 Millionen Euro pro Jahr geschätzt.

Gerechnet wird damit, dass mit den Einfahrtsregeln die Zahl der Einfahrten in die City von 32.000 Kfzs pro Werktag auf 27.400 verringert wird. Das wäre eine Reduktion um 4.600 Fahrzeuge oder 14 Prozent.

Eine größere Wirkung dürfte die Maßnahme auf die Parkplatzauslastung im ersten Bezirk haben: Die Verkehrsplaner rechnen damit, dass die Zahl der abgestellten Fahrzeuge im öffentlichen Raum um 24 Prozent reduziert wird. Demnach würden 1.500 weniger Kfzs auf öffentlichen Parkplätzen abgestellt werden. Diese verlagerten sich dann auf Garagen in der Innenstadt – oder auf Stellplätze außerhalb des ersten Bezirks.

Inbetriebnahme frühestens in zwei Jahren

Interessant ist auch der im Papier zitierte "grobe Zeitplan" für die potenzielle Umsetzung der Kameralösung: Demnach ist mit der Umsetzung der erforderlichen Rechtsgrundlage in der StVO "realistisch frühestens Anfang 2023" zu rechnen. Davor gibt es auch keinen Vergabeprozess, der rund ein Jahr dauern dürfte. Mit einem Aufbau und einer Inbetriebnahme wäre demnach frühestens in zwei Jahren zu rechnen – also nicht vor Mitte 2024.

Sima: "Studie ist noch nicht fertig"

Verkehrsstadträtin Sima meinte auf STANDARD-Anfrage zu den genannten Zahlen: "Die Studie ist noch nicht fertig." Die Rohfassung der Machbarkeitsstudie habe sie nicht erhalten. Ein tatsächliches Ergebnis werde es "gegen Ende des Sommers" geben. "Alles andere ist Kaffeesudleserei. Wenn wir die fertige Studie vorliegen hätten, hätten wir sie schon längst präsentiert."

In der Rohfassung der Studie mit Fassung vom 17. Mai wird auch darauf verwiesen, dass die "Endpräsentation" der Machbarkeitsstudie für 30. Juni vorgesehen ist – also für heute. Das Büro von City-Bezirksvorsteher Figl wollte vorerst aber keinen Kommentar dazu abgeben.

Kritik von Datenschützern

An der Einfahrtsüberwachung mit Kameras hatten schon Anfang Mai Datenschützer, darunter epicenter.works, sowie Menschenrechtsorganisationen in einem offenen Brief an Gewessler und Sima Kritik geäußert: Sie warnten unter anderem "vor den negativen Konsequenzen für unsere Grund- und Menschenrechte". Der gesammelte Berg an Daten könne zudem Begehrlichkeiten von Behörden wecken. Die Bedenken konnte Sima nicht nachvollziehen: "Wer nun gegen die kamerabasierte Kontrolle vorgeht, gefährdet ein innovatives Klimaschutzprojekt", hieß es aus ihrem Büro. (David Krutzler, 30.6.2022)