Maßnahmen müssen früh, schon in der Schule ansetzen, fordert der Neos-Abgeordnete Yannick Shetty im Gastkommentar. Lesen Sie auch die Repliken darauf von Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) und Ruşen Timur Aksak, dem früheren Pressesprecher der IGGÖ.

Am vergangenen Wochenende erschoss ein islamistischer Terrorist in Oslo zwei Menschen und verletzte mehr als 20.
Foto: APA / AFP / NTB / Martin Solhaug Standal

Schüsse, schreiende Verletzte, hunderte Menschen verstecken sich stundenlang in Kellern – so beschrieben Augenzeugen den Terroranschlag, der die norwegische Hauptstadt am Vorabend der Pride in Angst und Schrecken versetzte. Das Ziel des Täters war ein schwuler Nachtklub mitten in Oslo. Der Islamist war den Behörden schon vor dem Anschlag als Gefährder bekannt.

"Bei diesen terroristischen Angriffen handelt es sich um die Spitze eines Eisbergs."

Zwei Jahre zuvor wird in Dresden ein schwules Paar Opfer eines brutalen Messerangriffs. Ein Opfer stirbt, sein Partner überlebt mit schweren Verletzungen. In den deutschen Medien wird über die Tat als "Touristenmord" berichtet. Der Täter: ein junger Moslem, vom Verfassungsschutz als islamistischer Gefährder eingestuft. Nur wenige benennen öffentlich sein Motiv: religiös motivierter Hass gegen Homosexuelle.

Bei diesen terroristischen Angriffen handelt es sich um die Spitze eines Eisbergs: Unter dem Aufmerksamkeitsradar der Öffentlichkeit findet in vielen europäischen Zuwanderungsgesellschaften eine besorgniserregende Entwicklung statt, die von vorgeblich progressiven Politikerinnen und Politikern totgeschwiegen wird – Ambiguitätstoleranz ist leider keine ausgeprägte Fähigkeit.

Homophobe Einstellungen

Eine Studie des Integrationsexperten Kenan Güngör mit dem Meinungsforschungsinstitut Sora zeigt, dass illiberale und LGBTI-feindliche Haltungen unter jungen Muslimen überdurchschnittlich stark ausgeprägt sind. Der Aussage "Homosexualität ist nie okay" stimmen 15 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher ohne Migrationshintergrund zu. Unter jungen Menschen mit afghanischen, syrischen und tschetschenischen Wurzeln – oftmals junge Männer in zweiter oder dritter Zuwanderergeneration – ist die Zustimmung zu dieser Totalabwertung erschreckend hoch: 51 Prozent, 50 Prozent beziehungsweise 41 Prozent der Befragten stimmen zu.

Natürlich existieren in Österreich auch andere homophobe Kräfte. Es handelt sich dabei jedoch um politisch-institutionellen und nicht gesellschaftlich getragenen Einfluss. So haben erzkonservative Einzelpersonen aus dem klerikal-reaktionären Milieu – und der Neuen Rechten – ein einflussreiches Netzwerk in Legislative und Exekutive gesponnen, um Fortschritt zu blockieren. Sie handeln aber entgegen der großen Mehrheit der Bevölkerung.

Keine Verbote

Um Missverständnissen vorzubeugen: Nach der herrschenden Auffassung finden sich im Koran keine Verbote gleichgeschlechtlicher Handlungen, vielmehr waren schwule Beziehungen im vorkolonialen Zeitalter in islamischen Gesellschaften keine Seltenheit. Erst durch die Strafgesetzgebung westlicher Imperialmächte wurde europäische Homophobie in die Rechtssysteme islamisch geprägter Gesellschaften exportiert. Während es in vielen westlichen Staaten ab den 1970er-Jahren schrittweise zur Liberalisierung kam, wurde in Staaten wie dem Iran und Saudi-Arabien Hass gegen Schwule zu einem charakteristischen Merkmal.

Zurück nach Österreich: Wenn wir verhindern wollen, dass sich die Situation in Wien ähnlich entwickelt wie in Berlin oder Paris, müssen die Verantwortlichen handeln. Dazu gehört, dass bereits in Schulen Sensibilisierungsarbeit mit Role-Models aus der Community geleistet, gezielte Sozialarbeit mit jungen muslimischen Männern ausgebaut und in den Werte- und Orientierungskursen des Integrationsfonds Akzeptanz gegenüber LGBTI-Personen integraler Bestandteil des Curriculums wird.

Innermuslimischer Dialog

Neben solchen Maßnahmen ist ein innermuslimischer, selbstkritischer und reflektierter Dialog – er wird bisher schmerzlich vermisst – Voraussetzung für eine nachhaltige Trendumkehr.

ÖVP und Grüne haben indes angekündigt, einen "Round Table gegen Hate-Crime" abzuhalten. Was man sich davon erwarten darf? Leider nicht viel. (Yannick Shetty, 1.7.2022)