Während man in Madrid und Berlin nach einiger Zeit erkannte, dass man mit einem falschen Klitschko spricht, veröffentlichte Michael Ludwig stolz Bilder des Telefonats.

Foto: Screenshot Twitter-Account Paul Ronzheimer

Als sich am vergangenen Samstag herauskristallisierte, dass Wiens Bürgermeister Michael Ludwig ein paar Tage zuvor mit einem falschen Kiewer Bürgermeister Witali Klitschko telefoniert hatte, vermuteten Kenner der Szene sofort, dass es sich dabei um eine neuerliche Aktion des gefürchteten Prankster-Duos Vovan und Lexus gehandelt hat.

Die Liste der Personen, die von dem Duo bereits heimgesucht wurde, ist lang und mit Prominenz gespickt. So gesehen ist es fast schon als Anerkennung zu werten, von ihnen als Opfer auserkoren zu werden.

Stolzer Wiener Stadtchef

Stolz hatte Ludwig auf seinem Twitter-Account von seinem ausgiebigen Videotelefonat berichtet. Doch bald tauchten Zweifel auf. Aus den Büros der Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey und ihres Madrider Amtskollegen José Luis Martínez-Almeida wurde verlautbart, dass sie von einem falschen Klitschko angerufen worden seien, den Schwindel jedoch nach einiger Zeit erkannt und das Gespräch abgebrochen hätten. Später wurde bekannt, dass auch die Stadtchefs von Warschau und Budapest hereingelegt worden waren.

Die Wiener Stadtregierung löschte schließlich die Postings Ludwigs und erklärte, dass es sich um einen "schweren Fall von Cyberkriminalität" handle: "Es gab keine Indizien dafür, dass das Gespräch nicht mit einer realen Person geführt wurde, und es gab keinen Grund, das Gespräch zu hinterfragen."

Ukrainische Mail-Adresse

Auch Giffey hatte geltend gemacht, Opfer eines "Deepfakes" zu sein. Tatsächlich wurde der Kontakt über eine Mailadresse eines ukrainischen Mailanbieters aufgenommen, für die Bilder wurde eine Rede Klitschkos auf Youtube verwendet. Der Kiewer Bürgermeister – auch er wurde übrigens einst Opfer von Vovan und Lexus – mahnte seine Kollegen, offizielle Gespräche könnten nur über ebensolche Kanäle organisiert werden, und hielt fest, dass er für Gespräche auf Deutsch oder Englisch keinesfalls einen Dolmetscher brauchen würde.

Am Mittwoch erklärte nun "Lexus" Alexej Stoljarow, dass er mit seinem Partner Wladimir Kusnezow für die Videoanrufe quer durch Europas Hauptstädte verantwortlich ist. Er wolle nicht verraten, wie sie die Aktion durchgeführt hätten, sagte er dem Magazin Kontraste des Rundfunks Berlin-Brandenburg: "Aber es war leicht." Das unterstützt die Ansicht, dass für die Scherzanrufe kein sonderlich hoher technischer Aufwand getrieben wurde. Vovan und Lexus verlassen sich bei ihren Aktionen vielmehr auf die Leichtgläubigkeit und auch die Eitelkeit ihrer Opfer: Von einer bekannten Persönlichkeit zum Gespräch gebeten zu werden schmeichelt so manchem.

Als Putin mit Elton John telefoniert

Als Wladimir Putin diskutierten sie mit Elton John über Homosexuellenrechte in Russland, als Greta Thunberg riefen sie bei Kanadas Premier Justin Trudeau und beim Britenprinz Harry an. Zuletzt rief ein falscher Wolodymyr Selenskyj bei der Autorin J. K. Rowling an und verlangte, dass die Z-förmige Narbe des Zauberlehrlings Harry Potter durch ein ukrainisches Wappen ersetzt wird.

Gefährlich wird es, wenn die Hereingelegten beginnen, offen über Geheiminformationen zu plaudern. So sprach im Jahr 2014 ein US-General mit einem angeblichen ukrainischen Innenminister Arsen Awakow über Waffenlieferungen. Nach Beginn des russischen Angriffskrieges riefen sie als ukrainischer Premier Denys Schmyhal den britischen Verteidigungsminister Ben Wallace an. London erwirkte in der Folge eine Sperre des Youtube-Accounts des Duos.

Dass sie die Agenda des Kreml oder des russischen Geheimdienstes umsetzen, streiten die Komiker ab. In einem Interview mit dem unabhängigen litauischen Medium Meduza erklärten sie, Totalitarismus abzulehnen: Doch wenn man in den Totalitarismus abgleite, könne man das auch glamourös tun. (Michael Vosatka, 30.6.2022)