Am 13. Juli 2021 hatte Patrick Konrad allen Grund zu strahlen.

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Auf den letzten Metern zum Etappensieg.

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Realisierungsversuch I.

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Realisierungsversuch II.

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Pure Emotionen.

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Gaudens hieß der Mann, er lebte im fünften Jahrhundert, und man weiß von ihm nicht allzu viel. Der Legende nach haben ihn die Westgoten getötet, worauf man ihn begrub und dem Platz seinen Namen gab. Der Platz wurde ein Dorf, das Dorf eine Stadt, die nun gut 11.000 Einwohner und an der Strecke Toulouse–Bayonne einen Bahnhof hat. Seit 2021 ist Saint-Gaudens auch in Österreich ein Begriff, das verdankt sich Patrick Konrad. Der Niederösterreicher hat hier am 13. Juli die 16. Etappe der 108. Tour de France gewonnen. "Es war in meiner Karriere der mit Abstand schönste Tag", sagt Konrad (30) dem STANDARD, "und der Lohn für jahrelange Arbeit."

Die Arbeit freilich hört nicht auf, und sie wird auch nicht weniger. Am Freitag nimmt Konrad in Kopenhagen, wo die 109. große Schleife mit einem 13,2-km-Zeitfahren beginnt, seine vierte Tour für das deutsche Team Bora-hansgrohe in Angriff. Er hat Lunte gerochen. "Ich hab so oft gehört, dass ich die Qualität hab’, ein großes Rennen zu gewinnen", sagt Konrad. "Familie, Freunde, Kollegen haben mir das immer wieder gesagt. Und jetzt weiß ich es auch selbst." Der Etappensieg hob ihn auf eine Stufe mit dem Wiener Max Bulla, der 1931 drei Tour-Etappen gewann, und dem Tiroler Georg Totschnig, der 2005 in Ax-3 Domaines (Bergankunft) triumphierte.

Gehirn erschüttert

Konrad hat heuer noch nicht viel von sich reden gemacht, das muss nichts heißen. Das Frühjahr war schwierig für ihn, zunächst setzte ihn Anfang März bei Strade Bianche ein Sturz außer Gefecht, bei dem er eine Gehirnerschütterung erlitt, dann brachte ihn eine Corona-Infektion außer Tritt. Mittlerweile sieht er den Saisonverlauf beinahe positiv, obwohl er fünf Wochen pausieren und etliche Klassiker wie auch die Katalonienrundfahrt auslassen musste.

"Ich glaube, dass ich frischer bin als andere, die schon viele Rennkilometer in den Beinen haben", sagt Konrad, der sich erst Anfang Juni mit guten Auftritten und dem zwölften Gesamtrang in der Dauphiné-Rundfahrt endgültig fürs Tour-Aufgebot empfahl. "Ich bin immer besser in Form gekommen, freu mich auf den nächsten Monat." Bei Bora-hansgrohe ist Konrad einer von drei Österreichern, die am Freitag am Start stehen und am 24. Juli das Ziel in Paris sehen wollen – nach 3349,8 Kilometern, die sich auf 21 Etappen verteilen. Felix Großschartner und Marco Haller sind die anderen. Dazu kommen Gregor Mühlberger (Movistar), Michael Gogl (Alpecin) und Sebastian Schönberger (Wildcard-Team B&B Hotels). Macht insgesamt sechs Österreicher bei der Tour, das gab’s noch nie.

Auge geworfen

Der heimische Tour-Rekordler Bernhard Eisel (zwölf Teilnahmen) fungiert bei Bora-hansgrohe als einer der sportlichen Leiter. Er hat sich um ein Team zu kümmern, das heuer "bergfahrerlastig aufgestellt ist", wie Konrad meint. Schließlich hat sich Peter Sagan verabschiedet, der siebenmal die Tour-Sprintwertung gewann, und der Ire Sam Bennett, 2020 bester Sprinter, ist auch nicht mit von der Partie.

Umso mehr wirft Konrads Equipe ein Auge aufs Gesamtklassement, der Russe Alexander Wlasow, der heuer Tour de Romandie und Valencia-Rundfahrt gewann, soll mitmischen. Allerdings hatte Wlasow erst Mitte Juni wegen einer Corona-Infektion als Führender die Tour de Suisse aufgeben müssen.

So oder so sollte sich für Konrad und Co die Chance ergeben, auf Tagessiege loszugehen. Natürlich wurde der Etappenplan studiert. "Kann schon sein, dass bestimmte Etappen für einen maßgeschneidert sind", sagt Konrad. "Aber letztlich macht nicht der Plan, sondern machen die Rennfahrer das Rennen." Er verhehlt nicht, dass ein Etappensieg sein Ziel ist. "Ich will dieses Gefühl zurückhaben. Wenn du es einmal genossen hast, willst du es immer wieder genießen." Ein Wiedersehen gibt es mit Saint-Gaudens, das diesmal freilich kein Ziel, sondern Startort der 17. Etappe ist. "Da werden Erinnerungen hochkommen", sagt Patrick Konrad, der sich schon bald an noch mehr erinnern will. (Fritz Neumann, 1.7.2022)