Mit der mentalen Bewältigung dieser Performances von Kanzler Kurz konnte man früher den gesamten Sommer zubringen.

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Wälz, wälz, wälz und abermals wälz – das ist in diesen Tagen, nebst ausgiebiger Transpiration, die allnächtliche Hauptbeschäftigung der heimischen Bevölkerung. Wir nähern uns dem Sommerloch oder sind vielleicht schon mittendrin, in jenem von der journalistischen Zunft gefürchteten Nachrichtentief, da von der Politik, zumindest von der heimischen, kaum Neues zu erwarten ist. Für Abwechslung sorgt lediglich die jüngste Corona-Mutation, wenn zum Schwitzen und Wälzen das Keuchen hinzukommt.

Bei der Austro-Politik jedoch, wie gesagt, tote Hose. Nennt mich Nostalgiker, nennt mich einen, der die Vergangenheit nicht loslassen kann, aber der historische Schiffbruch namens "Türkis" hatte neben seiner katastrophalen Essenz wenigstens einen gewissen Unterhaltungs- und Empörungswert, der gefühlt die ganze Urlaubszeit hindurch vorhielt und so die Langeweile vertrieb.

Schluss mit lustig

Wer erinnerte sich zum Beispiel nicht mit ungläubigem Schaudern an die singuläre Präpotenz, mit der ein Finanzminister Blümel dem Parlament bedeutete, dass es ihn kreuzweise an seinem zierlichen Popo lecken möge? An den Reigen öliger Darbietungen von Kanzler Kurz, dem in Sachen flamboyanter Chuzpe niemand etwas vormachen konnte? Mit der mentalen Bewältigung dieser Performances konnte man früher den gesamten Sommer zubringen.

Tempi passati, Schluss mit lustig. Allein die kürzlich erfolgte Schließung des "Kaufhaus Österreich" ist ein Zeichen dafür, dass die Ära der staunenswertesten Verwaltungsfrechheit, die das Land je erlebt hat, zu Ende gegangen ist und lediglich die Justiz sich noch jahrelang mit ihr beschäftigen darf.

Wie bescheiden dagegen der Eindruck, mit dem uns die gegenwärtige türkis-grüne Mannschaft in die Sommerpause entlässt: eine Schar braver Arbeiter im Weinberg des Herrn, nur reichte ihr Spaßfaktor nicht aus, um die Restbestände guter Laune auf Dauer das Sommerlochs hindurch zu sichern.

Die Koalition von ÖVP und Grünen wirkte zuletzt so prickelnd wie ausgerauchtes Mineralwasser. Wenn die Politik auslässt, wird man in den Hitzemonaten wohl oder übel zur Selbstbespaßung schreiten müssen. Ich kann hierfür die Lektüre von John Kennedy Tooles Roman Die Verschwörung der Idioten empfehlen. Sehr seltsam und sehr lustig. (Christoph Winder, 3.7.2022)