Nach den Energie- und den Nahrungsmittelpreisen ist die Teuerungswelle der Statistik Austria zufolge nun auch in der Gastronomie angekommen.

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Die Inflation hat in Österreich im Juni weiter Fahrt aufgenommen. Gemäß einer Schnellschätzung der Statistik Austria sind die Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahresmonat um 8,7 Prozent emporgeschnellt. Das ist der höchste Wert seit September 1975, also seit fast 47 Jahren. Im Mai war die Teuerung noch bei 7,7 Prozent gelegen.

"Der starke Preisauftrieb des heurigen Jahres hat sich im Juni 2022 weiter beschleunigt", sagt Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas. "Mittlerweile hat die Teuerung in nahezu allen Bereichen Fahrt aufgenommen. Neben neuerlichen Anstiegen der Treibstoff- und Heizölpreise sehen wir auch in den Restaurants und im Lebensmittelhandel deutliche Preissteigerungen."

Starker Anstieg gegenüber Mai

Dabei hat die Aufwärtsdynamik der Inflation in Juni in beängstigendem Ausmaß weiter zugelegt. Allein gegenüber dem Vormonat betrug die Teuerung im Juni 1,4 Prozent. Bei diesem Tempo hätten wir auf ein Jahr hochgerechnet eine Inflationsrate von 18 Prozent.

Dass es tatsächlich dazu kommt, erwartet Wifo-Inflationsexperte Josef Baumgartner nicht. Er verweist auf saisonale Effekte wie den Sommerschlussverkauf bei Bekleidung im Juli, die den Preisauftrieb dämpfen sollten. Dennoch rechnet er mit einem weiteren Anstieg der Teuerung: "Wie sehen den Peak mit mehr als neun Prozent Inflation Ende dieses oder nächsten Jahres." Im Jahresschnitt 2022 erwartet das Wifo 7,8 Prozent Teuerung, was für Baumgartner jedoch bereits die "Untergrenze" darstellt.

Weniger Inflation in Deutschland

Im Gegensatz zu Österreich hat sich der Preisauftrieb in Deutschland im Juni etwas verlangsamt. Waren und Dienstleistungen kosteten laut Statistischem Bundesamt durchschnittlich nur noch 7,6 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Im Mai war die Teuerungsrate mit 7,9 Prozent so hoch ausgefallen wie seit dem Winter 1973/74 nicht mehr, als der erste Ölpreisschock im Zuge des Jom-Kippur-Krieges eine Inflationswelle ausgelöst hatte.

Warum steigt die Teuerung in Österreich weiter, schwächt sich in Deutschland jedoch ab? Wifo-Ökonom Baumgartner verweist auf den deutschen Tankrabatt, der den Auftrieb der Spritpreise gedrosselt habe, während Treibstoffe hierzulande die Inflation neuerlich angefacht hätten. Zudem habe auch das Neun-Euro-Ticket für eine Entspannung bei der Inflation gesorgt.

Auch nach der harmonisierten EU-Berechnungsmethode ist die Inflation hierzulande im Juni auf 8,7 Prozent gestiegen, gab die Statistik Austria am Freitag bekannt. In der Eurozone ist der Preisauftrieb auf einen neuen Rekordwert geklettert: Laut einer Schnellschätzung von Eurostat ist die Inflation in der Eurozone im Juni um 8,6 Prozent gestiegen, nach 8,1 Prozent im Mai.

Die Schnellschätzungen der Statistik Austria basieren auf dem zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bestehenden Datenbestand, der etwa 80 bis 90 Prozent der für die Inflationsberechnung nötigen Preise umfasst. Es kann daher noch zu Abweichungen kommen: Für Mai betrug die Schnellschätzung der Teuerung zunächst 8,0 Prozent, der Wert wurde später auf 7,7 Prozent nach unten revidiert. Die endgültigen Inflationsdaten für Juni werden am 19. Juli bekanntgegeben.

Zinserhöhung im Juli

Angesichts der enormen Teuerungswelle in der Eurozone will die Europäische Zentralbank (EZB) nun früher als ursprünglich geplant auf die geldpolitische Bremse treten. Nachdem die Anleihenkaufprogramme bereits ausgelaufen sind, soll bei der nächsten Sitzung des EZB-Rats am 21. Juli die erste Zinserhöhung seit elf Jahren erfolgen. Derzeit liegt der Leitzins noch bei null Prozent, Banken müssen für Einlagen bei der Notenbank einen Strafzins von minus 0,5 Prozent berappen. Beide Sätze sollen um je einen Viertelprozentpunkt angehoben werden. Im September ist ein weiterer Zinsschritt vorgesehen.

"Die Politik der EZB ist sehr zaghaft", sagte IHS-Chef Klaus Neusser am Donnerstag bei der Vorstellung der Sommerprognose. Die bisher von der EZB angestrebten zwei Prozent seien in den nächsten Jahren nicht zu erreichen. "Wir müssen froh sein, wenn wir auf vier Prozent kommen." (Alexander Hahn, 1.7.2022)